26. Sonntag im Jahreskreis (C)

Predigtimpuls

„Verantwortung für den Armen“

1. Lesung: Amos 6,1a,4.7
Zwischengesang: www.antwortpsalm.de
2. Lesung: 1Tim 6,11-16
Evangelium: Lk 16,19-31

Der Geist der sozialen Hilfe in der Gesellschaft 

Bei aller Kirchenkritik heute schätzt man doch das soziale Engagement der Kirchen. Die kirchliche Caritas gehört zu den größten Wohlfahrtsverbänden in unserer Republik. Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser und verschiedene Sozialeinrichtungen in kirchlicher Trägerschaft gehören im Allgemeinen zu geschätzten Einrichtungen.

Die Kirche ist aber nicht der einzige Anbieter auf diesem Sektor. Neben ihr haben sich auch andere Wohlfahrtsverbände der sozialen Frage angenommen. Letztlich versteht sich sogar unser Staat laut Grundgesetz als ‚Sozialstaat‘. Das hat zur Folge, dass auch weitgehend die Meinung herrscht, der Staat sei als erster aufgerufen, für das soziale Wohl der Bürger und Bürgerinnen zu sorgen. Dennoch darf die staatliche Sozialhilfe kein Ersatz für die persönlichen Hilfe an den Armen und Hilfsbedürftigen sein.

Das verschlossene Herz der Reichen 

Die Lesungen des heutigen Sonntags, besonders das Evangelium vom reichen Mann und dem armen Lazarus, weisen auf die von Gott geforderte soziale Verantwortung der Menschen füreinander hin. Dabei geht es nicht um Gläubige oder Ungläubige. Das Gegensatzpaar ist allein der Reiche und der Arme. Jesus kleidet die soziale Verantwortung in die Geschichte vom reichen Prasser und dem armen Lazarus. Dabei geht es nicht um die Frage, wer von beiden besser gelebt habe und damit im Himmel dafür belohnt wird. Denn der arme Lazarus war zwar arm, aber über seinen Lebenswandel wissen wir nichts. Der Akzent der Geschichte liegt vor allem auf dem Reichen. Er hat die Hilfe für den Armen ausgeschlagen bzw. der Arme hat ihn gar nicht innerlich berührt, obwohl er täglich vor seiner Tür lag. Nicht einmal mögliche Abfälle, die unter den Tisch fallen, hat er ihm gegeben. Der Reiche erscheint als ein in sich gesättigter Mensch, ohne Herzenswärme und Mitleid. Von seinem Schicksal des endlosen Leidens in der Ewigkeit sollen die Zuhörer betroffen sein. Sie sollen sich bekehren, damit es ihnen nicht genauso erginge. Der Einwand, er habe es nicht gewusst, gilt nicht. Denn das Gesetz und die Propheten hätte er hören können, ja jeder kann sie bis heute hören, wenn er nur wollte. 

Jesu Gleichnis ist also eine Warnung an die Reichen, sie könnten durch ihre Hartherzigkeit ihr eigenes Lebensglück verfehlen.  

Bei aller zeitbedingten Vorstellung vom Jenseits tun sich in dieser Geschichte doch drei zeitlose Wahrheiten auf: 1. Der Reiche hat eine Verantwortung für den Armen, die er auf Erden wahrnehmen muss. Jedoch Reichtum kann ihn blind machen. 2. Das irdische Verhalten hat eine Bedeutung für das jenseitige Schicksal. 3. Aus dem Blickpunkt der ewigen Bestimmung ist eine nachträgliche Korrektur des Verhaltens nicht mehr möglich. Damit gehört dieses Gleichnis zu den ‚Gerichtsgleichnissen‘ Jesu. Sie alle wollen auf die Ernsthaftigkeit des irdischen Verhaltens in Bezug auf die ewige Bestimmung hinweisen. 


Reichtum und Hartherzigkeit gehören in der Bibel zusammen. „Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr als ein Reicher in das Reich Gottes“, sagt Jesus an anderer Stelle. Reichtum macht satt, empfindungslos, selbstsicher, egozentrisch. In diesem Sinn geißelt schon der Prophet Amos, dessen Worte wir in der ersten Lesung hörten, die Reichen Samarias. 

Ihr Reichtum macht sie blind für den bevorstehenden Untergang, der nur durch Bekehrung abgewendet werden könnte.

Die Bedeutung eines guten Sozialstaats

Die Sorge um die Armen ist Gott sei Dank Teil unseres gesellschaftlichen Bewusstseins geworden. Seit der Frühzeit der Kirche gab es den Dienst am Armen und Kranken. Über Jahrhunderte haben die Christen sich um die Armen gesorgt. Armut und Krankheit waren oft eng beieinander, gerade in Zeiten mangelnder oder abwesender Sozialversicherungen. Wir können dankbar sein, heute in einem Staat zu leben, der die sozialen Hilfen für die Armen bereithält oder auch private Organisationen unterstützt. Die Armut vieler Menschen, ja ganzer Völker in der Welt, ist vor allem auch in der mangelnden Sozialabsicherung durch den jeweiligen Staat begründet. Es ist beklagenswert, dass in vielen Ländern der Erde ein gesichertes Sozialsystem fehlt, um die sozialen Nöte wie Krankheit, Alter, Versehrtheit und Arbeitslosigkeit aufzufangen. Es zeigt sich immer wieder: Ein guter Sozialstaat ist die Grundlage jeglichen Wohlergehens. Die Kirchen haben darin einen wesentlichen Anteil. 


Nächstenliebe und ewiges Schicksal 

Dennoch wird es immer wieder Arme „vor der Tür“ geben, die aus irgendwelchen Gründen durch das soziale Maschennetz fallen oder durch persönliches Schicksal in eine ausweglose Situation geraten sind. Wer trägt die Schuld? Es ist nicht unsere Aufgabe, über andere zu richten. Aber es ist unsere Aufgabe zu helfen, wo es nötig ist. 

Durch das abschreckende Schicksal des Reichen möchte Jesus uns ermahnen, ein barmherziges Herz zu haben, das die Not sieht und spontan zum Helfen bereit ist. Das kann dann auch in eine organisatorische Hilfe einfließen. Aber der Ausgangspunkt ist immer die persönliche Betroffenheit vom Schicksal des Anderen. Die Flüchtlingsfürsorge im vergangenen und in diesem Jahr hat ja erstaunliche Kräfte der Hilfsbereitschaft freigelegt. Angesichts der Tatsache, dass die meisten Flüchtlinge Muslime sind, kann dies ein beredtes christliches Glaubenszeugnis für den liebenden Gott sein. Die Sorge um den konkreten Armen ist Teil unseres christlichen Glaubens, der sich in den Taten bewähren muss. 


Worin liegt nun die Brisanz des Gleichnisses vom reichen Mann? Es ist nicht einfach ein moralischer Aufruf zur Nächstenliebe. Es geht hier vielmehr um den Zusammenhang zwischen irdischem Verhalten und ewigem Leben. Kann der gute und barmherzige Gott für ewig bestrafen? fragen wir manchmal. Was aber heißt Göttliches Gericht? Viele Fragen tun sich hier auf. Vielleicht müssen wir diese Fragen aus menschlicher Perspektive betrachten. Leben heißt, von der Liebe Gottes getragen werden. Wer sich dem Nächsten aber verschließt wie der reiche Mann, wird auch die Liebe Gottes für sich nie wahrnehmen; und wer diese Liebe nicht wahrnimmt, wird auch in der Ewigkeit von ihr nicht getragen. Denn Gottes Liebe braucht, um wirksam zu werden, das Ja des Menschen. Wer Gott im Leben ausschlägt, „schaufelt sich selbst die Grube, in die er fällt“ (Ps 7,16). Ewiges Leben heißt, von Gott ewig geliebt zu sein. Der Arme hat wohl immer auf den liebenden Gott vertraut. Deshalb wird er auch im Jenseits von der Liebe Gottes getragen. Darin besteht seine Glückseligkeit. Der Reiche hat diese Liebe im Leben ausgeschlagen, weil er auf sich selbst baute. So schafft er sich selbst sein eigenes ewiges Schicksal als Gottferne, aus der er nicht mehr herauskommt. Gott nimmt die Entscheidung seiner Ablehnung ernst. Darin liegt die Brisanz des Gleichnisses auch für uns. 


P. Martin Neuhauser SVD