32. Sonntag im Jahreskreis (C)

Besinnung

Lesung aus dem zweiten Buch der Makkabäer (2Makk 7,1-2.7a.9-14)

2Makk 7,1-2.7a.9-14

Der Text

7,1 Ein andermal geschah es, dass man sieben Brüder mit ihrer Mutter festnahm. Der König wollte sie zwingen, entgegen dem göttlichen Gesetz Schweinefleisch zu essen, und ließ sie darum mit Geißeln und Riemen peitschen.

7,2 Einer von ihnen ergriff für die andern das Wort und sagte: Was willst du uns fragen und von uns wissen? Eher sterben wir, als dass wir die Gesetze unserer Väter übertreten.


7,3 Da wurde der König zornig und befahl, Pfannen und Kessel heiß zu machen.

7,4 Kaum waren sie heiß geworden, ließ er ihrem Sprecher die Zunge abschneiden, ihm nach Skythenart die Kopfhaut abziehen und Nase, Ohren, Hände und Füße stückweise abhacken. Dabei mussten die anderen Brüder und die Mutter zuschauen.

7,5 Den grässlich Verstümmelten, der noch atmete, ließ er ans Feuer bringen und in der Pfanne braten. Während sich der Dunst aus der Pfanne nach allen Seiten verbreitete, sprachen sie und ihre Mutter einander Mut zu, in edler Haltung zu sterben. Sie sagten:

7,6 Gott der Herr schaut auf uns und gewiss hat er Erbarmen mit uns. Denn so hat es Mose klar gesagt in dem Lied, in dem er öffentlich das Volk anklagte: Und er wird mit seinen Dienern Erbarmen haben. Dtn 32,36


7,7 Als der erste der Brüder auf diese Weise gestorben war, führten sie den zweiten zur Folterung. Sie zogen ihm die Kopfhaut samt den Haaren ab und fragten ihn: Willst du essen, bevor wir dich Glied für Glied foltern?

7,8 Er antwortete in seiner Muttersprache: Nein! Deshalb wurde er genauso wie der erste gefoltert.

7,9 Als er in den letzten Zügen lag, sagte er: Du Unmensch! Du nimmst uns dieses Leben; aber der König der Welt wird uns zu einem neuen, ewigen Leben auferwecken, weil wir für seine Gesetze gestorben sind.

7,10 Nach ihm folterten sie den dritten. Als sie seine Zunge forderten, streckte er sie sofort heraus und hielt mutig die Hände hin.

7,11 Dabei sagte er gefasst: Vom Himmel habe ich sie bekommen und wegen seiner Gesetze achte ich nicht auf sie. Von ihm hoffe ich sie wiederzuerlangen.

7,12 Sogar der König und seine Leute staunten über den Mut des jungen Mannes, dem die Schmerzen nichts bedeuteten.

7,13 Als er tot war, quälten und misshandelten sie den vierten genauso.

7,14 Dieser sagte, als er dem Ende nahe war: Gott hat uns die Hoffnung gegeben, dass er uns wieder auferweckt. Darauf warten wir gern, wenn wir von Menschenhand sterben. Für dich aber gibt es keine Auferstehung zum Leben.


Textbetrachtung

Die Bücher der Makkabäer schildern vor allem die radikale Hellenisierung Palästinas unter dem Nachfolgekönig Alexanders des Großen, Antiochus III. (223-187 v.Chr.). Gegen den hellenistischen „way of life“ erhoben sich schließlich in den Jahren 167-142 v.Chr. die sogenannten Makkabäer. Erst etwa um 100 v.Chr. wurden die beiden Makkabäerbücher niedergeschrieben.

7,1 Hier wird wohl kein historisches Ereignis beschrieben, sondern der Verfasser erzählt eine Geschichte vom Glauben Israels an die Auferweckung von den Toten und von der Gesetzestreue einer Mutter und ihren sieben Söhnen. Es ist die Story von den sieben Brüdern und ihrer Mutter, die sich an die Tora (Lev 11,7) halten: „Ihr sollt für unrein halten das Wildschwein, weil es zwar gespaltene Klauen hat und Paarzeher ist, aber nicht wiederkäut.“ Schon im alten Mesopotamien und Ägypten galt das Schwein als kultisch unrein, während es bei den hellenistischen Griechen ein beliebtes Opfertier war.

7,2 Einer der Brüder formuliert es ganz deutlich, warum sie mit ihrer Mutter so todesmutige Märtyrer sein werden: „Eher sterben wir, als dass wir die Gesetze unserer Väter übertreten.“ Die Gesetze der Väter wurden allmählich immer mehr zu einem identitätsstiftenden Merkmal der Jüdinnen und Juden. Und sie sind es bis heute in ihrer weltweiten Diasporasituation.

7,3-5 werden in ihrer grauslichen Darstellung in der Sonntagslesung ausgelassen. Es ist auch zu zweifeln, dass ein Tatsachenbericht aufgeschrieben wurde. Vielmehr wollte man mit dieser erfundenen „Horrorgeschichte“, die hellenistische Kultur verunglimpfen und die Gesetze der Väter als unumstößlich verkünden.

7,6 Die Makkabäischen Brüder mit ihrer Mutter sind sich gewiss, dass Gott auf sie schaut und sich ihrer erbarmen wird. Dabei erinnern sie sich an das sogenannte Lied des Mose (Dtn 31,30-32,44) in dem es heißt: „Ja, der Herr wird seinem Volk Recht geben und mit seinen Dienern Mitleid haben. Er wird sehen: Jede Hand ist ermüdet, es gibt nur noch Unterdrückte und Hilflose“ (Dtn 32,36).

7,7a Nachdem der erste der Brüder auf grausamste Weise umgebracht worden war, führten sie den zweiten zur Folterung. Diese Bemerkung zitiert die Sonntagslesung wieder, um den Zusammenhang der Erzählung von den sieben Brüdern und ihrer Mutter nicht zu zerstören.

7,7b.8 Auch der zweite Sohn wurde auf die grausamste Weise gefoltert. Die angebotene Henkersmahlzeit lehnt er in seiner reichsaramäischen Muttersprache ab. Seit der Herrschaft der Perser (538-530 v.Chr.) war das die allgemeine Sprache im Perserreich.

7,9 Der hellenistische Herrscher Antiochus, der so stolz auf seine griechische Bildung war, wird als das, was er nach der Erzählung auch wirklich ist, als ein „Unmensch“ bezeichnet. Zum ersten Mal wird in diesem Vers der vorchristlichen Bibel vom neuen und ewigen Leben gesprochen. Jahwe, der eigentliche König der Welt, wird die auferwecken, die für seine Gesetze gestorben sind.

7,10 Und als der dritte Bruder gefoltert wurde, forderte man seine Zunge. Sofort streckte er sie heraus und hielt auch noch seine Hände hin.

7,11 Von Gott habe er sie bekommen und von ihm hoffe er sie wiederzuerlangen. Es ist seine feste Überzeugung, dass seine Auferweckung leib-haftig sein wird.

7,12 Der König und seine Leute staunten über den Todesmut dieses jungen Zeugen für die Auferweckung von den Toten, dem die grausamen Folterschmerzen so wenig bedeuteten.

7,13 Als er zu Tode gequält war, misshandelten sie den vierten Bruder genauso.

7,14 Als er dem Ende nahe war, gab er ebenfalls noch ein Zeugnis von seiner unerschütterlichen Hoffnung auf die Auferweckung. Darauf würden die Mutter und ihre sieben Söhne warten, wenn sie auch jetzt durch Menschenhand sterben müssen. Doch auch nach der Überzeugung des zu Tode gequälten vierten Sohnes wird es für den grausamen König Antiochus III. keine Auferstehung zum Leben geben. Hölle und Teufel sind in seiner Vorstellung zur Bestrafung noch nicht vorhanden. Wer nicht an die Auferweckung durch Gott glaubt, bleibt nach damaliger Ansicht schlichtweg im Schattenreich des Todes, der Scheol.

P. Hieronymus Horn OSB