12. Sonntag im Jahreskreis (A)

Predigtimpuls

„Fürchtet euch nicht!“

1. Lesung: Jer 20,10-13
Zwischengesang: www.antwortpsalm.de
2. Lesung: Röm 5,12-15
Evangelium: Mt 10,26-33

Diesen Zuspruch hören wir in den biblischen Schriften recht oft. Meistens dann, wenn etwas Unerwartetes, etwas Unerklärbares ins menschliche Leben hereinbricht. Der wohl bekannteste Anruf diesbezüglich geschieht im Lukasevangelium bei der Geburt Jesu gegenüber den Hirten auf dem Feld. Der Himmel öffnete sich, eine Schar von Engeln machte sich bemerkbar; Gottesboten, die seine Gegenwart bezeugten. Die Hirten erschraken. Gott brach in die Welt ein. Sie standen voll Furcht vor dem Unbegreiflichen und brauchten den Zuspruch, dass all dies kein Anlass für Erschrecken sein sollte, sondern eher Freude und Hoffnung in ihnen wecken wollte. In unserem heutigen Evangelientext ist die Situation anders: Jesus sagt seinen Begleitern: „Fürchtet euch nicht vor den Menschen!“ Dieses „Fürchtet euch nicht!“ hat einen ganz anderen Zusammenhang. Die Jünger haben keine einfache Aufgabe, weil Jesu Botschaft oft unbequem ist und nicht von allen geliebt werden kann, weil sie menschlicher Gier und dem Gewinnstreben entgegensteht. Seine Botschaft will Gleichheit, Gerechtigkeit und Achtung des Anderen. Das gefällt denen nicht, die sich an der Schwäche der Anderen bereichern, die unterdrücken, die ausbeuten und faule Geschäfte auf dem Rücken ihrer Mitmenschen machen. Das war damals nicht einfach, denn nicht wenige, die Erfolg hatten und ganz oben standen, waren dort, weil sie unlauter handelten. Und das hat sich bis heute nicht geändert. Auch und gerade in unseren Tagen haben wir viele Ungerechtigkeiten, die Erfolg und Wohlstand bringen, die aber nicht vereinbar sind mit dem, was Jesus uns gelehrt hat, was Gottes Wille ist. Und es ist für einen Christen nicht einfach, diese Missstände anzusprechen. Er macht sich keine Freunde und wird eher angefeindet, wenn er ehrlich sein will. Es sind nicht immer die großen Betrügereien auf politischer Ebene, die uns da wie ein Stachel im Fleisch stecken. So zum Beispiel unsere Verstrickung in den Waffenhandel auf der Weltbühne. Kaum ein Politiker würde sich da einmischen, weil es um Arbeitsplätze in unserer Industrie geht; weil es da um den Wohlstand und die Existenz von Familien bei uns geht. Aber richtig ist das nicht, dass wir Waffen mit unserem Know-How herstellen, die in die Krisengebiete der Welt exportiert werden und an denen dann einige wenige richtig gut verdienen, die meistens als Saubermänner in der Gesellschaft dastehen. Als Christen hätten wir den ganz klaren Auftrag, das anzuprangern und zu unterbinden. Und wenn wir das täten, dann würde uns der Zuspruch gelten: „Fürchtet euch nicht vor den Menschen!“ Das Ganze gibt es aber auch tausendfach im Kleinen, wo man sich Vorteile verschafft durch Tricksereien, durch kleinen Steuerbetrug usw. Den Finger in diese Wunden zu legen, hat Jesus von seinen Jüngern verlangt. Aber sie hatten davor Angst. Was auch ganz verständlich ist, denn sie hätten sich unbeliebt gemacht. Uns geht es heute ganz genauso. Wir schauen weg, wollen uns nicht unbeliebt machen und schweigen. Oder wir machen sogar aktiv mit. Jesus ruft uns zu Ehrlichkeit auf, denn es wird sowieso alles offenbar werden. Ein sehr harter und schmerzender Aufruf, aber einer, dem wir aufs Ganze gesehen nicht entkommen werden. Der gute alte Spruch „Ehrlich währt am längsten“ birgt eine gute alte Volksweisheit, die schon in der Bibel verankert ist. Doch es ist in unserem Evangelium von heute auch die Rede von einer anderen Furcht, die ganz anders gemeint ist. Sie hat nichts mit Angst und Verzweiflung zu tun. Es ist die Furcht vor Gott – die Gottesfurcht. Sie ist eine Grundhaltung, die gerade im Ersten Testament unserer heiligen Schriften immer wieder beschworen wird: „Gottesfurcht ist der Anfang der Weisheit“, so heißt es dort wiederholt. Das heißt nichts anderes, als sich der Ehrlichkeit, dem Respekt und der Achtung vor dem Anderen nicht nur zu beugen, sondern sie als gottgewollte Haltungen zu akzeptieren und zu leben. Gottesfurcht ist die heilige Achtung vor einem gerechten und menschenfreundlichen Lebensstil im Einklang mit dem unhinterfragbaren Willen Gottes, der alle in den Blick nimmt, der Gleichheit und Geschwisterlichkeit will und in ihnen die Weisheit sieht, die diese Welt zu lenken imstande ist.


P. Fabian Conrad SVD