13. Sonntag im Jahreskreis (A)

Predigtimpuls

Die Entscheidung für Christus

1. Lesung: 2Kön 4,8-11.14-16a
2. Lesung: Röm 6,3-4.8-11
Evangelium: Mt 10,37-42

Entscheidungen, welche die Zukunft eines Menschen bestimmen 

Wir haben in unserem Leben viele Entscheidungen zu treffen. Manche davon sind von weniger großem Belang, andere jedoch sind schwerwiegend und bestimmend für den weiteren Verlauf des Lebens, wie etwa der Besuch einer Schule, die Wahl eines Lebenspartners, die Entscheidung für einen bestimmten Beruf, die Religionszugehörigkeit. Solche Entscheidungen zu treffen, bedarf großer Klugheit, eines reifen Werturteils und vor allem der Freiheit der Entscheidung. Die Konsequenzen können weittragend sein und wollen sowohl vor Gott als auch gegenüber sich selbst verantwortet sein.


Der englische Philosoph Antony Flew, angesehener Professor an verschiedenen Universitäten und Autor von zahllosen Büchern und Schriften, war fast sein ganzes Leben lang ein überzeugter Atheist gewesen, bekannte sich dann aber mit 81 Jahren 2004 plötzlich zum Gottesglauben, nur einige Jahre vor seinem Tod 2010. Sein Wandel und seine Entscheidung für Gott gingen auf eine Überzeugung zurück, die er aus seinen Forschungen gewonnen hatte. Er setzte sich damit der Kritik und dem Misstrauen vieler Freunde und Wissenschaftler aus, die mit teils spöttischen, teils bemitleidenden Bemerkungen seine Entscheidung begleiteten und nicht bereit waren, ihn ernst zu nehmen. Sie schrieben seinen Wandel eher einer Altersdemenz zu als der Fähigkeit, auch in diesem Alter noch klar denken und konsequente Entscheidungen treffen zu können. In einem 2007 erschienenen Buch „There Is a God: How the World's Most Notorious Atheist Changed His Mind“ erläutert Flew persönlich, wieso er vom Atheisten zum Gläubigen wurde. Das Buch wurde im Wesentlichen von seinem Freund, dem christlichen Autor Roy Varghese geschrieben, was seine Kritiker als Bestätigung ihrer These von der Unfähigkeit Antony Flew´s, klar zu denken, auslegten. In einer späteren Stellungnahme bestätigte jedoch Antony Flew erneut, dass er voll zu dem stehe, was in dem Buch geschrieben wurde und dass es ganz und gar sein Denken wiedergebe. Es sei seine persönliche Erkenntnis und Überzeugung, dass es Gott gibt und dass bei der Entstehung des Lebens seine Weisheit am Werk gewesen ist. Seiner Rechtfertigung fügte er noch eine Entschuldigung bei an die vielen Menschen, die er durch sein Denken zum Unglauben verführt und ins Unglück gestürzt habe.


Zwei Bemerkungen Jesu, die unter die Haut gehen 

„Wer Vater oder Mutter, Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert.“ Die Worte Jesu aus dem heutigen Evangelium sind schockierend, ja skandalös für einen, der menschlich denkt und fühlt. Und doch wollen sie uns nur den Blick öffnen für das Wesentliche in diesem menschlichen Leben, den Zugang nämlich zu Gott in der Gefolgschaft Jesu. Die engsten Verwandten sind im Empfinden eines reifen Menschen das Liebste und Wertvollste, was er hat. Sie sind es, die an erster Stelle seine Aufmerksamkeit, Liebe und Verantwortung verdienen. Und doch gibt es eine größere Liebe, die jede andere Liebe an Wert und Bedeutung übersteigt. Mit der Entscheidung für Jesus und der Teilnahme an seinem Leben geschieht der Eintritt in eine neue Ordnung. Das Frühere wird dabei jedoch nicht entwertet, wohl aber aus der Beziehung mit Christus neu verstanden und umgewertet und mit hineingenommen in das neue Leben mit Christus.

Eine zweite Bemerkung, die sich direkt an die erste anschließt, lautet: „Wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und mir nachfolgt, ist meiner nicht würdig.“ Der Anschluss an Jesus bedeutet Teilnahme an seiner Sendung. Diese aber heißt: Der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben für viele. Jesus verlangt einen totalen Wandel vom Herrschaftsanspruch zum Sklavendienst, und dies nicht, um Minderwertigkeitsgefühle zu züchten, sondern um in der Gefolgschaft Jesu die Bereitschaft zum Dienst an den Menschen zu betonen, eine Haltung, die Jesus predigte und selbst vorlebte bis zur letzten Erniedrigung am Kreuz. All das scheint im Gegensatz zu dem zu stehen, was die Menschen von einem Leben erwarten, das auf Erfolg, Profit und Genuss, und dies meist auf Kosten anderer, angelegt ist. In unserem Text sind Jesu Ansprechpartner zweifellos zunächst seine Apostel und Jünger, jene Menschen, die als erste berufen sind, seine Sendung an die Welt weiterzugeben und Zeugen seines Werkes und seiner Frohbotschaft zu werden. Nichts darf zwischen ihn und sie treten, nichts ihre totale Treue und Liebe ihm gegenüber in Mitleidenschaft ziehen, um die Echtheit des Zeugnisses nicht zu gefährden.

Ein Aufruf, der sich an alle Christen richtet 

Die Kirche betont jedoch heute mehr und mehr, dass der Aufruf Jesu zur Nachfolge nicht nur für die ersten Apostel, sondern für alle gilt, die sich ihm in der Taufe angeschlossen haben. Die Verkündigung des Evangeliums und das Zeugnis für den Tod und die Auferstehung Jesu werden damit zu einem Teil der persönlichen Sendung eines jeden Christen in der Welt, in der er lebt, und für die Welt, die auf sein Zeugnis wartet. Große Opfer, zu denen der Mensch nur in enger Verbindung mit Christus fähig ist, sind dabei nicht ausgeschlossen. Jesu Worte vom Kreuz behalten durchaus ihre Aktualität. Einer mondänen Kirche, die nur um sich selbst besorgt ist, stellte Papst Franziskus bereits in seiner Rede im Vorkonklave eine Kirche gegenüber, die aus sich herausgeht bis an die Ränder. Nicht nur an die geographischen Ränder, sondern an die Grenzen der menschlichen Existenz: die des Mysteriums der Sünde, die des Schmerzes, die der Ungerechtigkeit, die der Ignoranz, die der fehlenden religiösen Praxis, die des Denkens, die jeglichen Elends. Eine kirchliche Erneuerung kann deshalb letztlich nur Wirklichkeit werden, wenn sich möglichst viele Christen neu auf Jesus und sein Evangelium einlassen.


„Du hast Worte des ewigen Lebens“ – Trost der Nachfolge oder Flucht in die Illusion? 

Die Entscheidung für Christus bleibt eine Herausforderung, das mussten schon die Jünger Jesu erfahren. Jesu Worte erschienen selbst den Aposteln manchmal nicht nachvollziehbar. Viele verließen ihn, und Jesus sah sich einmal gezwungen, seine engsten Freunde mit der Frage zu konfrontieren: „Wollt auch ihr gehen?“ Petrus ließ dann sein Herz sprechen und rettete die peinliche Situation mit dem Wort: „Zu wem sollen wir gehen, du hast Worte des ewigen Lebens.“ Aber schon die Apostel machten die Erfahrung, dass die Entscheidung für Jesus und seine Nachfolge immer neu gefällt werden muss, denn die Krisen wiederholen sich. 

Im konkreten Leben bleibt bei allem guten Willen für den normalen Kirchenbesucher die Entscheidung für eine konsequente Umsetzung christlicher Werte häufig überaus schwierig. Sie lässt sich ja meist nicht auf eine Wahl zwischen Schwarz oder Weiß reduzieren, da die Werte, um die es geht, sich nicht immer klar voneinander abheben als solche, die mit der Botschaft des Evangeliums im Einklang stehen und als solche, welche ihr entgegenstehen oder sich am Ende als Scheinwerte entpuppen. Niemand kommt wohl daran vorbei, sich ständig weiterzubilden und sich eine hohe spirituelle Kompetenz anzueignen durch die Vertiefung seiner persönlichen Beziehung mit Christus, durch eine kritische Offenheit gegenüber den Zeichen der Zeit und durch eine aktive Beteiligung am Leben der kirchlichen Gemeinschaft und ihrem Dienst an den Mitmenschen. Wohl erst dann wird uns als Christen mehr und mehr bewusst, dass unser Leben im Grunde eine Fortsetzung der Sendung Jesu Christi in der Welt und für die Welt ist.

 

P. Anton Weber SVD