Kein Geld für Umweltsünder

03. Sep 2015

Damit ihre Fonds nur in Unternehmen investieren, die im Sinne der Schöpfung handeln, holt sich die Steyler Ethik Bank Unterstützung durch sogenannte Ethik-Scouts. In diesen Tagen werden diese „Nachhaltigkeitswächter“ in Indien für ihre wichtige Aufgabe geschult.

Die Ethik-Scouts der Steyler Bank haben weltweit im Blick, wie verantwortungsvoll und nachhaltig Konzerne handeln.
Die Ethik-Scouts der Steyler Bank haben weltweit im Blick, wie verantwortungsvoll und nachhaltig Konzerne handeln.

Ein lächelndes Mädchen isst einen Apfel, ein Mähdrescher fährt durch ein Kornfeld. Die Fotos auf der Internetseite von Anglo American zeigen das internationale Bergbau-Unternehmen von seiner besten Seite. Da liest man zum Beispiel, wie sehr Anglo American indigene Bevölkerungsgruppen respektiert und welche Initiativen das Unternehmen beispielsweise in Australien gestartet hat, um deren Rechte zu wahren. Ein verständliches Anliegen, schließlich liegen viele Minen im Lebensraum von indigenen Gemeinschaften. Ein Unternehmen, das sich seiner Verantwortung für Mensch und Umwelt bewusst ist. Könnte man meinen.


Und doch haben sich die Steyler Fair und Nachhaltig-Fonds unlängst von ihren Anteilen an Anglo American getrennt. Denn: Auf dem Papier mag der Konzern zu den Nachhaltigkeitsvorreitern seiner Branche zählen. Tatsächlich aber verstößt er gegen Arbeitsrechte und hat in mehreren Ländern schwerwiegende Umweltschäden verursacht. Zu diesem Ergebnis kamen die Ethik-Scouts der Steyler Bank – ein Netzwerk aus rund 100 Steyler Missionsschwestern und Missionaren, die in 70 Ländern zuhause sind.

Der Ethik-Anlagerat der Steyler Bank - v.l.n.r.: Stefan Scholz, Dr. Klaus Gabriel, Jutta Hinrichs, Norbert Wolf, Ralf Kern, Sr. Carmen Elissa Bandeo, Sr. Magdalena Eichiger, Pater Dr. Paulus Budi Kleden
Der Ethik-Anlagerat der Steyler Bank - v.l.n.r.: Stefan Scholz, Dr. Klaus Gabriel, Jutta Hinrichs, Norbert Wolf, Ralf Kern, Sr. Carmen Elissa Bandeo, Sr. Magdalena Eichiger, Pater Dr. Paulus Budi Kleden

In der Kritik steht Anglo American unter anderem wegen eines Großprojekts im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais. Dort ist das Unternehmen am Bau einer 525 Kilometer langen Erzpipeline beteiligt. Dabei handelt es sich um Röhren, durch die zerkleinertes Erzgestein mit Wasserdruck gepresst werden soll. Beim Bau der Erzpipeline sollen unter anderem Flüsse verseucht werden. Zudem stellte das brasilianische Arbeitsministerium fest, dass mehrere hundert Arbeiter unter rechtswidrigen und menschenunwürdigen Bedingungen beschäftigt werden. Die Arbeiter, unter ihnen auch illegale Einwanderer, mussten an manchen Tagen bis zu 20 Stunden arbeiten. Eine Gruppe von Arbeitern kam über einen Zeitraum von einem halben Jahr auf 200 Überstunden im Monat.


Ein zusätzlicher Trumpf
Bei der ethischen Geldanlage in Fonds sind die Ethik-Scouts – neben den Urteilen spezialisierter Rating-Agenturen wie oekom research – der Trumpf im Ärmel von Deutschlands ältester ethischer Bank. Sie helfen die Spreu vom Weizen zu trennen. Mit ihren Berichten aus Afrika, Asien und Lateinamerika unterstützen sie die Investitionsentscheidungen des bankeigenen Ethik-Anlagerates, der für die Steyler Fair und Nachhaltig-Fonds zuständig ist.

Jutta Hinrichs, Referentin für Ethik und Nachhaltigkeit bei der Steyler Bank, ist derzeit in Indien unterwegs. Dort werden die "Nachhaltigkeitswächter" der Bank geschult.
Jutta Hinrichs, Referentin für Ethik und Nachhaltigkeit bei der Steyler Bank, ist derzeit in Indien unterwegs. Dort werden die "Nachhaltigkeitswächter" der Bank geschult.

Die Steyler Fonds investieren nur in die nachhaltigsten Unternehmen jeder Branche. Doch wer verhält sich wirklich vorbildlich? Die Ethik-Scouts leben dort, wo die Unternehmen wirtschaften, und können sich so einen unmittelbaren Eindruck davon verschaffen, ob Unternehmen ihrer Verantwortung für Mensch und Umwelt gerecht werden. So identifizieren sie Umweltsünder und machen auf Konzerne aufmerksam, die gegen christliche und ethische Werte verstoßen.


Für die Steyler Ethik Bank ist die Arbeit der Ethik-Scouts so enorm wichtig, dass sie in diesen Tagen einen Workshop in Indien ausrichtet, um ihre Nachhaltigkeitswächter zu schulen. Veranstaltet wird der Workshop in Zusammenarbeit mit VIVAT International, einer bei den Vereinten Nationen akkreditierten Nichtregierungsorganisation, die die Steyler Missionare und die Steyler Missionsschwestern im Jahr 2000 ins Leben gerufen haben. „Vivat“ bedeutet „Lasst leben!“ Der Name der Organisation drückt ihre Verpflichtung aus, sich besonders für jene einzusetzen, die den Mächten des „globalen Dorfes“ des 21. Jahrhundert schutzlos ausgeliefert sind. Ein Schwerpunkt der Organisation ist ihr Einsatz für die Bewahrung der Schöpfung.

Die Steyler Bank mit Sitz in Sankt Augustin.
Die Steyler Bank mit Sitz in Sankt Augustin.

Raus aus der Komfortzone
40 Ordensleute aus zehn Ländern sind im indischen Bundesstaat Odisha zusammengekommen, um sich noch bis zum 6. September über Erfahrungen und Strategien im Einsatz für die Menschenrechte auszutauschen. Von Seiten der Bank nimmt die Nachhaltigkeitsexpertin Jutta Hinrichs teil. Sie referiert über ethisches Investment und erklärt den Teilnehmern, welche Informationen für die Auswahl von nachhaltigen Unternehmen wichtig sind. „Mit dem Workshop wollen wir den Ordensvertretern zeigen, wie wichtig ihre Aufgabe als Steyler Ethik-Scouts ist“, erklärt Jutta Hinrichs. „Denn Unternehmen haben eine hohe Verantwortung für soziale und ökologische Themen und beeinflussen durch ihre wirtschaftlichen Aktivitäten in erheblichem Maße die Lebensumstände der Menschen.“


„Unser Workshop findet bewusst nicht in einem komfortablen Kongresshotel irgendeiner Metropole statt. Wir fahren dorthin, wo die Probleme sind und treffen uns daher in Jharsuguda, in einer ländlichen Region des Bundesstaates Odisha“, sagt Jutta Hinrichs. Odisha ist reich an Rohstoffen wie Kohle, Eisenerz und Bauxit und zieht daher viele große Bergbaufirmen an. In dem von Kleinbauern geprägten Landstrich führt der Tagebau immer wieder zu Konflikten, besonders mit der indigenen Landbevölkerung, die in Odisha stark vertreten ist. Bei Exkursionen wollen sich die Workshop-Teilnehmer Beispiele für Ausbeutung und Umweltzerstörung ansehen und erkunden, mit welchen Mitteln VIVAT die Betroffenen unterstützt.


Den Spieß umdrehen
Welchen Einfluss können ethische Investoren auf solche konfliktreichen Situationen nehmen? Für Jutta Hinrichs ist es eigentlich ganz einfach: „Wir alle wissen, dass Geld die Welt regiert. Oft sehen wir die negative Seite dieser Volksweisheit: Wo Geld regiert, bleiben Werte wie Umweltschutz und Arbeits- und Sozialrechte auf der Strecke. Wir als ethische Investoren drehen aber den Spieß um, indem wir Geld nur dort einsetzen, wo es Gutes fördert.“

Armin Senger