2. Adventssonntag (C)

Predigtimpuls

Wir bereiten den Weg des Herrn

1. Lesung: Bar 5,1-9
2. Lesung: Phil 1,4-6.8-11
Evangelium: Lk 3,1-6

Der Schulweg

Meine ersten Schuljahre verbrachte ich in einem kleinen Dorf im Bayerischen Wald. Der Weg zur Schule, die im Pfarrdorf, etwa 3 Kilometer entfernt, war, nahm normalerweise dreißig Minuten in Anspruch. Nicht selten vertrödelten wir Kinder die Zeit und kamen zu spät zur Schule. Der Weg schlängelte sich zwischen Feldern und Wäldern einen kleinen Berg hinauf. Das war ziemlich anstrengend. Besonders im Winter, wenn hoher Schnee lag, wurde der Weg zur Schule eine beschwerliche Angelegenheit. Wir hatten in dieser Zeit keine Chance, Abkürzungen einzuschlagen, da der hohe Schnee uns zwang, auf der frei gemachten Straße zu marschieren. Oft wünschten wir uns einen begradigten Weg, besonders wenn wir wieder einmal darum bangten, rechtzeitig im Klassenzimmer zu erscheinen.

Der Weg zum Berg

Später bei meinen Bergwanderungen in den Alpen ergaben sich ähnliche Erfahrungen: Beim Aufstieg kam einem der Gipfel oft zum Greifen nahe vor. Doch musste ich mir sagen lassen, dass das Ziel noch mehrere Stunden vor uns lag. Da waren noch kleine Täler zu durchwandern, Bäche zu überqueren, Felswände zu durchsteigen, gefährliche Geröllhalden zu überwinden. Was so nah erschien, war in Wirklichkeit noch so weit entfernt, weil der Weg zum Berggipfel höchst selten gerade zum Ziel führt.

Der Gott Israels als Wegbereiter

Wegerfahrungen sind grundmenschliche Erfahrungen. Sie helfen uns, die Texte des heutigen 2. Adventssonntags tiefer zu verstehen und entsprechende Vorbereitungen zu treffen als Wegbereiter des Herrn in unsere Welt.
Der Prophet Baruch (1. Lesung) ermutigt sein Volk in seinen Verheißungen mit seinem Versprechen, dass Gott selbst den Weg Israels aus der Verbannung in das gelobte Land ebnen wird: „Gott bringt sie heim zu dir“ (V. 6) und „Denn Gott führt Israel heim in Freude“ (V. 9). Dieser Gott Israels beseitigt all die Schwierigkeiten, denen das Volk auf seinem Weg in die Heimat begegnen könnte: tiefe Täler, hohe Berge, heiße Sonne.

Der Mensch als Wegbereiter Gottes

Im heutigen Evangelium wird uns ebenfalls die Beseitigung aller Hindernisse auf dem Weg angekündigt. Doch dieses Mal ist nicht Gott der Wegbereiter für das Volk Israel. Nein, dieses Mal ruft Johannes der Täufer mit den Worten des Propheten Jesaja uns auf, den Weg des Herrn in die Welt vorzubereiten. Wir können uns nicht damit zufrieden geben, dass Gott für uns alles macht. Wir sind herausgefordert, mit allen uns zur Verfügung stehenden Kräften, Gottes Weg zu den Menschen zu ebnen.

Die Hindernisse, vom Menschen verursacht

Aus unseren persönlichen Wegerfahrungen wissen wir um die Beschwerlichkeiten auf dem Weg. Wir kennen dieses Auf und Ab, wenn wir tiefe Täler und tiefe Gräben hinab und dann wieder die steilen Abhänge hinaufsteigen müssen. Fragen wir uns, wo wir tiefe Gräben aufgerissen haben durch beleidigende und verletzende Bemerkungen? Wo wir durch Stolz und Verachtung hohe Berge zwischen uns und den Mitmenschen errichtet haben? Wir erkennen die krummen Wege in unserem Verhalten den Mitmenschen gegenüber: Vom sind wir sehr freundlich, hinter dem Rücken wird dann gelästert, kritisiert und der Nächste schlecht gemacht. Oder wie winden wir uns um die Wahrheit herum, um ja nicht eigene Schuld zugeben zu müssen? Wir entdecken auf unserem Weg, welche Hindernisse wir aufbauen, die die anderen erst zu überwinden haben, wenn wir uns durch Schweigen verweigern, durch Misstrauen und falsche Beschuldigungen den Weg des anderen zu uns unpassierbar machen.

Unser kreatives Engagement

Johannes der Täufer ruft uns in den Worten des Propheten Jesaja auf, Wegbereiter des Herrn zu werden. Dabei geht es nicht nur um die Vermeidung von Fehlern, sondern um unser kreatives Engagement. Es geht nicht nur dämm, die Verursachung von Gräben und Tälern zu vermeiden, sondern aktiv Brücken zu bauen, über denen Menschen wieder zueinander finden. Ganze Berge zu bewegen, damit die Täler zugeschüttet werden können! Es geht nicht nur darum, krummen Wegen aus dem Weg zu gehen, sondern diese krummen Wege wieder gerade zu machen, d. h. mit den Menschen die Freundlichkeit und Liebe zu teilen, die wir von Gott empfangen haben, damit unter uns wieder eine Atmosphäre herrscht, in der die Menschen nicht ihren Buckel krümmen müssen, um akzeptiert zu sein. Sondern wo alle sich bei uns angenommen fühlen, wo wir in ehrlicher Offenheit für einander da sind.

Es geht nicht nur dämm, Misstrauen und falsche Beschuldigungen zu unterlassen, sondern den Weg zu ebnen, d. h. Ausschau zu halten nach Menschen, die in Not sind, auf sie zuzugehen und in aller Offenheit Gemeinschaft zu bilden, die gegenseitiges Vertrauen aufbaut. Bemühen wir uns, auf diese Weise dem Herrn den Weg in unsere Welt zu bereiten. Dann kann auch die Verheißung des Baruch unter uns Wirklichkeit werden: Gott selbst bereitet den Weg für uns.

 

P. Dietmar Klose SVD