Fest des Heiligen Stephanus

Predigtimpuls

Was Gottes Geist vermag

Lesung: Apg 6,8-10; 7,54-60
Evangelium: Mt 10,17-22

 Was Gottes Geist vermag
Was ist das für eine Kraft, die Stephanus festhalten lässt an seinem Herrn und Gott? Ich möchte Ihnen eine Weihnachtsgeschichte erzählen, die so wirklich passiert ist; eine Geschichte, in der auch Blut floss.

Die Lektion „Liebe“
Sechs Tage vor Weihnachten bekam ein amerikanischer Facharbeiter an seiner Arbeitsstelle über Telefon die Nachricht, dass sein fünfjähriger Sohn Craig von einem Auto überfahren worden sei. Noch am gleichen Tag starb der Junge im Kinderkrankenhaus.
Das Auto war so schnell gekommen, dass keiner es bemerkt hatte und es fuhr ungebremst in das Kind.
Erst abends, als der Vater an dem unbenutzten Bett vorbeikam, wurde ihm klar, was geschehen war. Craig hatte noch drei Schwestern, aber gerade der Kleine half mehr als die anderen, mit den Sorgen einer so großen Familie fertig zu werden. Schon als Baby lächelte er so fröhlich in die Welt, dass die Menschen oft an seinem Wagen stehen blieben. Wenn Besuche gemacht wurden, war es bereits der dreijährige Craig, welcher der Gastgeberin sagte: „Sie haben ein wunderschönes Haus!“ Bekam er etwas geschenkt, dann war er zu Tränen gerührt. Und er konnte es an das erste Kind weiterschenken, das ihn darum beneidete. Aber jetzt ? so ein Kind in einer Sekunde ausgelöscht! Ist das Leben nicht letztlich sinnlos und der Glaube an Gott Selbsttäuschung?
Zuerst schlug die Hilflosigkeit des Vaters in blinden Hass um ? gegen den, der das Kind getötet hatte. Das Höchstmaß der Strafe sollte ihn treffen! Die Polizei hatte den Schuldigen inzwischen verhaftet. Er hieß George Williams und war erst fünfzehn Jahre alt. Er kam aus einem zerrütteten Zuhause mit einer überforderten Mutter, hatte die Schule geschwänzt, den Autoschlüssel genommen und war mit Vollgas die Straße hinuntergerast.
Weihnachten rückte näher. Die Eltern waren verzweifelt. Der Vater presste spät in der Nacht die Fäuste gegen die Schläfen und betete: „O Gott, zeige mir, warum das geschehen musste!“
Genau in dem Augenblick, so sagte er später, wurde sein Leben verwandelt. Wie ein heller Blitz durchfuhr es ihn. Plötzlich war ihm ganz klar: Das Leben hat nur ein einziges, einfaches Ziel. Es gleicht einem Schuljahr und darin sollen wir die eine Lektion lernen: Liebe! Craig hatte in fünf kurzen Jahren seine Lektion gelernt. Wie schnell hatte er Fortschritte gemacht!
Der Mann ging zu seiner Frau, die aufrecht im Bett saß, nichts las oder tat, sondern einfach nur geradeaus starrte und das seit dem Freitagabend. Er nahm ihre Hand und sagte: „Das Leiden auf dieser Erde ist nicht das Ende. Craig hat uns nicht mehr nötig. Aber jemand anders braucht uns: George Williams. Es ist doch Weihnachten. Vielleicht gibt es im Jugendgefängnis keine Weihnachtsgeschenke für ihn ? wenn wir nicht was hinschicken!“
Seine Frau hörte zu, starrte ihren Mann unentwegt an und brach plötzlich in Tränen aus. „Ja“, sagte sie, „das ist richtig! Es ist seit Craigs Tod das Erste, was richtig ist!“
George Williams entpuppte sich als ein intelligenter, verwirrter und einsamer Junge, der einen Vater ebenso nötig hatte wie die betroffene Familie einen Sohn. Die Freilassung wurde beantragt. Diese Familie wurde schließlich sein zweites Zuhause. Nach der Schule arbeitete er mit im Betrieb des Facharbeiters und traf sich mit allen zu den Mahlzeiten. Er wurde den drei Mädchen ein guter, großer Bruder. (Der Unfall geschah 1958. Der Name des Facharbeiters: Max Ellerbusch. Verkürzt nach Pierre Lefèvre.)

Sich öffnen für Gottes Geist
Niemand soll sich Vorwürfe machen, wenn er zu solch einer Liebe nicht fähig ist. Wir bleiben ja oft hinter unseren Möglichkeiten zurück. Aber mit Blick auf Stephanus sehen wir, was die Kraft des Geistes Gottes und das Vertrauen auf Jesus Christus vermögen. Es ist ja dieselbe Stelle im Herzen oder in der Seele, die Stephanus Ja sagen lässt zum Martyrium und die Eltern in der Geschichte beflügelt, dem Mörder ihres Kindes zu vergeben.
Wir leben in einem Land mit versteckter und offener Christenverfolgung. Fragen Sie Heranwachsende, was in Schulen und an Arbeitsplätzen mittlerweile geschieht. Doch öffnen wir uns für den Geist Gottes, haben wir eine Chance zwischen Macht und Ohnmacht, und springen wir über unseren eigenen Schatten!

 

Pfr. Willi Hoffsümmer