1. Adventssonntag (A)

Predigtimpuls

Christus erwarten in der Zeit – heute und jetzt

1. Lesung: Jes 2,1-5
2. Lesung: Röm 13,11-14a
Evangelium: Mt 24,29-44

Vielleicht kennen Sie das auch: Noch vor 25 Jahren war es einfacher, sich im Freundeskreis regelmäßig zu treffen. Wir hatten einfach mehr Zeit. Heute bringen alle erst einmal ihren Terminkalender mit und es braucht viel Zeit, bis weitere Treffen stehen. Auch könnte man meinen, viele Rentner/Innen hätten Zeit, so dass man einfach mal auf einen „Sprung“ oder Kaffee vorbeikommen kann, wenn man grad mal in der Nähe ist. Doch weit gefehlt. Meist ist die Zeit verplant. Einfache Muße trifft man selten an.

 

Was aber ist Zeit?

Zeit ist keine objektive Größe. Zeit ist nicht absolut, das hat schon Albert Einstein in seiner Relativitätstheorie entdeckt: Sie ist vom Raum abhängig. Auch wenn wir wenig von dieser Wissenschaft verstehen, unsere menschliche Erfahrung zeigt, wie subjektiv Menschen „Zeit“ erleben. Wenn ein Kind spielt, vergeht die Zeit schnell; muss es aber unliebsame Hausaufgaben machen, scheint es, als ob die Zeit quälend langsam verginge. Vielleicht erlebt so manches Kind das lange Warten auf Weihnachten als ewig, doch die Ferien sind dann im Nu um. Manchmal sagen ältere Menschen rückblickend, wie schnell die Zeit vergangen ist oder dass ein Jahr wie „im Flug“ vergeht. Und da ist ein frisch verliebtes Paar, das sich für ein paar Tage trennen muss: Wie lange dauert doch die letzte Stunde, bis sie sich wieder in ihre Arme schließen können? Wir sehen: Wie wir Zeit erfahren, was Zeit für uns bedeutet, wie schnell oder langsam sie für uns vergeht, ob erfüllte oder vertane Zeit, hängt von uns selbst ab, ist sozusagen relativ zu uns selber. Und damit wird deutlich: Zeit erfahren wir nicht nur quantitativ, sondern vor allem qualitativ.

 

Zeit ist kostbar – Zeit ist Geld

In einer modernen und leistungsorientierten Gesellschaft, in der das Tempo immer schneller wird und das Leben vielfältiger, ist Zeit zu einem kostbaren Gut geworden. Manchmal werden wir zu Sklaven des eigenen Terminkalenders und „haben“ nicht einmal mehr Zeit für uns selbst, für die eigene Familie, für Freunde, Muße und einfaches Dasein. Oft herrscht ein „selbst-fremdgestrickter“ Zeitplan über uns.

 

Bedenkt die gegenwärtige Zeit

Mitten hinein in unsere heutige Zeit hören wir die Worte der zweiten Lesung aus dem Römerbrief. Paulus schreibt: „Bedenkt die gegenwärtige Zeit: Die Stunde ist gekommen, aufzustehen vom Schlaf. Denn jetzt ist das Heil näher …“ Mit anderen Worten: Wer JETZT pennt, der verpasst das Wesentliche. Wer JETZT nicht seine Zeit sinnvoll einsetzt, wer seine Zeit vergeudet, wer dem Terminkalender ganz verfallen ist, der lebt am eigentlichen Leben vorbei. Wer JETZT nicht merkt, dass Advent ist, an dem rauscht Weihnachten spurlos vorüber. Nicht umsonst kennt die Kirche vor den großen Festen des Kirchenjahres Weihnachten und Ostern eine Zeit der Vorbereitung, der Besinnung und Umkehr, eine Zeit für das Gebet, für gute Werke, eine Zeit, unser Leben zu überdenken, ihm eine neue Spur zu geben, eine Zeit, uns zu bekehren, um wieder neu und kraftvoll auf dem Weg der Christusnachfolge weiterzugehen; einfach Zeit haben, in der „nichts“ ist. Wie wir unsere Zeit gestalten ist wesentlich, dabei zählt die Qualität, nicht die Quantität. Ein Lied bringt es auf den Punkt, um was es uns in der Zeit des Advents gehen könnte:

Jetzt ist die Zeit, jetzt ist die Stunde.
Heute wird getan oder auch vertan, worauf es ankommt, wenn er kommt.
Der Herr wird nicht fragen: Was hast du gespart, was hast du alles besessen?
Seine Frage wird lauten: Was hast du geschenkt, wen hast du geschätzt, um meinetwillen?

Der Herr wird nicht fragen: Was hast du gewusst, was hast du Gescheites gelernt?
Seine Frage wird lauten: Was hast du bedacht, wem hast du genützt, um meinetwillen?

Der Herr wird nicht fragen: Was hast du beherrscht, was hast du dir unterworfen?
Seine Frage wird lauten: Wem hast du gedient, wen hast du umarmt, um meinetwillen?

Der Herr wird nicht fragen: Was hast du bereist, was hast du dir leisten können?
Seine Frage wird lauten: Was hast du gewagt, wen hast du befreit, um meinetwillen?

Jetzt ist die Zeit, jetzt ist die Stunde.
Heute wird getan oder auch vertan, worauf es ankommt, wenn er kommt.

 

Waffen des Lichtes, nicht Werke der Finsternis

Paulus rät uns im Advent, die Waffen des Lichtes anzulegen. Auch empfiehlt er uns asketische Übungen, um Leidenschaften im Zaum zu halten. Er fordert, nicht maßlos zu essen und zu trinken, Unzucht und Ausschweifung zu meiden und Streitereien und Eifersüchteleien zu unterlassen. Diese Zurückhaltung lässt uns wacher werden und den Blick erwartungsvoller heben auf das Leben mit Christus, der an Weihnachten neu in unseren Herzen geboren werden will. Weil wir dies aber selbst nicht machen und erzeugen können, ruft uns Paulus in der Lesung zu: „Legt als neues Gewand den Herrn Jesus Christus an.“ Wir sollen in seiner Gegenwart sein. Ummantelt mit ihm, befinden wir uns schon mitten im Leben. In Raum und Zeit soll er uns umhüllen, er ist ja da.

 

Diakon Dr. Wolfgang Holzschuh