Karfreitag – Die Feier vom Leiden und Sterben Christi

Predigtimpuls

Sich mitteilen im Leid

1. Lesung: Jes 52,13-53,12
2. Lesung: Hebr 4,14-16; 5,7-9
Passion: Joh 18,1-19,42

Wir haben die Leidensgeschichte gehört und die letzten Worte Jesu am Kreuz. Bald werden wir wieder das Kreuz herein tragen, in die Mitte stellen und anschauen. So wie jedes Jahr. Bekannte Riten. Bekannte Worte.

In der Vorbereitung dieser Feier hat mich immer wieder ein Gedanke, besser: eine Frage, beschäftigt, nämlich: In diesen Stunden des Leidens am Kreuz – was ist da Jesus alles durch den Kopf gegangen? Das waren ja Stunden. Nicht nur so ein paar Minuten wie jetzt, in denen wir von seinem Leiden lesen. Das waren Stunden. Qualvolle Stunden. Woran hat Jesus da gedacht? Sind ihm Einzelheiten aus seinen knapp über dreißig Lebensjahren eingefallen? Hat er mit den anderen Menschen, die auch dort waren, geredet?

Freilich: ein paar Worte haben wir in der Passion heute gehört: `Siehe dein Sohn, siehe deine Mutter´, `Mich dürstet´, und dann das `Es ist vollbracht´.

Andere Überlieferungen erzählen noch vom kurzen Gespräch mit den beiden Verbrechern zu seiner rechten und linken Seite und vom Ruf an seinen Vater. Aber alles nur ganz kurze Dialoge. War das wirklich alles?

Ich habe in dieser Woche ein Ehepaar besucht. Der Mann wurde vor fast einem Jahr mit der schrecklichen Diagnose eines bösartigen Tumors konfrontiert. Heute hat er nach etlichen Behandlungen wirklich berechtigte Hoffnung auf eine vollständige Heilung. Ich weiß, dass viele Menschen für ihn gebetet haben.

Wir waren zwei Stunden beisammen und haben viel geredet. Es ist für mich so wertvoll, da zuhören zu können. Menschen die einen Leidensweg hinter sich haben, die können wirklich Wichtiges sagen.

Er hat mir erzählt, wie sich die ganze Familie versammelt hat, wie sie gemeinsam die Situation angeschaut und darüber geredet haben. Und ein Satz von diesem Mann ist mir sinngemäß in Erinnerung: `Der wirkliche Tod wäre schon, wenn man mit niemanden in dieser Situation des Leidens reden könnte´. Mit niemanden reden können wenn man leidet, das ist wie sterben.

Im Gespräch mit anderen die Verzweiflung und auch die Hoffnung teilen, das ist so wichtig. Auch klagen dürfen und vielleicht sogar anklagen. Dann aber auch wieder vernünftig in die Zukunft schauen und vielleicht noch Dinge ordnen. Und was wir auch manchmal erleben: Oft können gerade die Betroffenen, die Leidenden selber, die anderen trösten und ihnen Mut zusprechen. Leidende Menschen durchlaufen verschiedene und unterschiedliche Phasen. Aber alle Phasen sind wichtig und dienen der Bewältigung ihrer Situation.

Hat Jesus am Kreuz gesprochen? Hatte er Menschen, mit denen er diese Erfahrungen der Leidbewältigung machen durfte? Die Bibel berichtet nur ganz kurz. Aber sie berichtet genau von diesen Erfahrungen, wie ich sie vorhin erwähnt habe. Die verschiedenen Phasen und Seiten menschlichen Leidens finden wir genauso bei Jesus:

Er kannte die Klage und die Anklage: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?

Er kannte die Sorge um die Zukunft der anderen: Frau, siehe dein Sohn, - Sohn, siehe deine Mutter.

Er hat in seinem Leiden andere getröstet: Heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein.

Und er kannte die gelassene Hingabe: Es ist vollbracht.

Und so war sein Sterben kein Scheitern sondern eine Vollendung.
In Jesu Sterben ist noch einmal sein ganzes Leben vorgekommen und er hat auch unser Leben mit hinein genommen. In Jesu Leidensweg und in seinem Sterben finden wir alle unsere menschlichen Erfahrungen. Und das darf uns Trost sein und Mut zusprechen, wo wir in unserem Leben die kleinen und größeren Kreuze zu tragen haben und mit dem Leiden konfrontiert sind.

Jesus hat am Kreuz gesprochen, vielleicht sogar mehr als uns überliefert ist. Aber er hat geredet, mit Gott seinem Vater und mit anderen Menschen. So konnte er vielleicht noch besser diese Leidensstunden ertragen.

Wir werden jetzt die Fürbitten sprechen. Mit Gott ins Gespräch kommen. Ihm unsere Anliegen und Sorgen für die ganze Welt vortragen. Danach werden wir das Kreuz herein tragen, uns vor das Kreuz knien und dabei auch unsere ganz persönlichen Anliegen vor den am Kreuz erhöhten Herrn tragen: Mit Jesus ins Gespräch kommen, am Kreuz, - vor seinem Kreuz auch unser Kreuz hinlegen.

Er wird es hören. Das kann uns helfen. Mit ihm reden tut gut. Tot ist, wer im Leiden niemanden zum Reden hat.

P. Josef Denkmayr SVD