Ostermontag

Predigtimpuls

Auf dem Weg des Vertrauens

1. Lesung: Apg 2,14.22-33
2. Lesung: 1 Kor 15,1-8.11
Evangelium: Lk 24, 13-35 (oder Mt 28, 8-15)

Erfahrung des Scheiterns
Es ist für den Menschen sehr schmerzlich, wenn er zugeben muss, dass seine Hoffnungen gescheitert sind; dass all das, was er bisher für tragfähig gehalten hat, heute nicht mehr gilt oder zu gelten scheint. Des öfteren habe ich dies gehört, wenn Eheleute meinten oder zugeben mussten, dass ihre Ehe gescheitert sei. Wie viele Illusionen wurden begraben und wie viele Versuche hatte es gegeben, das Ganze noch zu retten? Gilt so etwas Ähnliches auch für die Jünger damals, die mit ihrer Enttäuschung über den Tod Jesu nur weg von Jerusalem wollten; weg von dem Ort, wo sie zu viele Hoffnungen für sich und andere hatten begraben müssen? Dem Evangelisten ist es meines Erachtens in außerordentlich dramatischer Weise gelungen, die Lebenssituation der beiden Jünger – und damit wohl auch der frühen Kirche darzustellen.

„Am gleichen Tag waren zwei von den Jüngern auf dem Weg in ein Dorf namens Emmaus, das sechzig Stadien von Jerusalem entfernt ist. Sie sprachen miteinander über all das, was sich ereignet hatte.“ (13-14) Es war sicherlich gut und ein erster Schritt, dass die beiden Jünger über ihre Situation reden konnten. Aber damit konnten sie noch nicht ihre Trauer beheben bzw. einen neuen Schritt in die Zukunft tun. Erst die Begegnung mit dem Fremden, dem Unbekannten eröffnet ihnen eine neue Perspektive.

Erfahrung der scheinbaren Sinnlosigkeit
Dass der Tod Jesu am Kreuz eine neue Dimension eröffnete, dass Leid und Schmerz noch eine tiefere Schicht beinhalten sollte, erschloss sich ihnen nicht sogleich. Damit stehen sie wohl auch uns und unseren Fragen sehr nahe. Wie können wir Leid und Tod verstehen und mehr noch: wie können wir es positiv annehmen und ihm so einen anderen Wert beimessen? Der Unbekannte fordert die Jünger ja heraus, sich diesem Dilemma zu stellen: Versteht ihr denn immer noch nicht? Musste dies nicht alles erst geschehen, damit die Kraft Gottes in der Auferstehung für alle Welt sichtbar und erfahrbar würde? Die Fluchtversuche des Menschen, dem Leid und dem Tod aus dem Wege zu gehen, führen nie zu einer tragfähigen Lösung, erst recht nicht zu einer Er-Lösung. Erst wenn sich der Mensch dem Phänomen von Krankheit, Leid und Tod stellt, kann er auch damit leben und eine neue und lebenswerte Perspektive finden.

Erfahrung einer Begegnung, die erneuert
So eröffnet die Begegnung der Jünger mit dem Unbekannten den Weg zu einer neuen Sicht, ohne das Geschehene ungeschehen zu machen oder auszuradieren. Hier zeigt sich meines Erachtens wieder sehr deutlich die Bedeutung der persönlich gemachten Erfahrung. Erfahrungen kann man sich nicht nur theoretisch aneignen, man muss sie machen; sie sind wie Schwielen an den Händen, die nur vom Zupacken kommen. Das ist oft mühsam und beschwerlich, ja schmerzlich. Erfahrung lebt wesentlich vom Erzählen dessen, was sich ereignet, was ich erfahren habe. So fängt dabei auch schon die Verarbeitung des Geschehens an. Jesus wusste das ganz genau und führt die Jünger behutsam diesen Weg.

Erfahrung nicht nur im Wort
In einer eindringlichen Weise vermittelt die Künstlerin Janet Brooks-Gerloff das Emmaus-Geschehen in ihrem Ölgemälde im Kreuzgang der Benediktinerabtei Kornelimünster bei Aachen (1992). Es hängt dort, wo die Mönche sich vor großen Gottesdiensten zur Statio aufstellen, um sich für den Gottesdienst zu sammeln.

Das Bild selber, in sehr hellen Farben gestaltet, zwei deutlicher erkennbare, dunkel gehaltene Gestalten und eine andere, nur schemenhaft, aber hell gezeichnet. Sie ist nicht definiert, nicht greifbar; und sie geht rechts außen, nicht in der Mitte, wie dies bei anderen Emmaus-Darstellungen der Fall ist. Der in der Mitte geht, berührt leicht den Mitgehenden, und vielleicht deshalb hat sein Gewand auch einige helle Flächen. Alle wenden dem Betrachter den Rücken zu. Sie scheinen eilig und wollen weg. Wohin? Nur nach Emmaus? Auch die Landschaft und vielleicht Häuser nebenan sind nur angedeutet. Man geht auf ein Licht zu. Die Männer, die dem Fremden von der seltsamen Erfahrung berichten, die die Frauen gemacht haben, erwähnen auch: „…ihn selber aber sahen sie nicht.“ Auch die hier auf dem Wege befindlichen Jünger „sahen / erkannten ihn nicht“.

Erfahrung nur im Glauben
Die Gestalten auf dem Weg sind in Bewegung. Sie haben wieder ein neues Ziel. Sie ziehen gleichsam den Betrachter hinter sich her: Mach dich auf, folge uns nach! Das Gespräch und die erklärenden Worte des Fremden machen Mut weiterzugehen. Langsam nur wächst in ihnen eine Glaubensgewissheit über all das, was sie jetzt von dem Fremden hören; es kommt ihnen wohl bekannt vor – und deshalb laden sie ihn ein, bei ihnen zu bleiben. Sich aufmachen, den Weg weitergehen, immer wieder fragen und Antworten bedenken, Zweifel zulassen, aber auch neues Verstehen akzeptieren – all das gehört mit zum Glauben, zum Sich-Fest-Machen an dem, der ihnen vorausgegangen ist, von dem sie so viel gehört haben, als er noch unter ihnen war und wirkte. Durch ihn die Schriften besser und tiefer verstehen lernen, nicht beim Buchstaben und Gesetz stehen bleiben. Lernen, die Schriften mit seinen Augen zu sehen und zu deuten.

Erfahrung im ständigen Aufbruch
Vielleicht haben wir uns allzu sehr darum bemüht, den Glaubensinhalt zu verstehen und zu fixieren. Unsicherheit und Ungewissheit können wir nur schwer ertragen. Wir suchen nach Klarheit und Eindeutigkeit. Aber verfehlen wir so nicht gerade diesen Gott, der sich schon dem Volk Israel als der gezeigt hat, der „da ist“, der mit dem Volk „unterwegs ist“, der ihm „immer vorausgeht“? Keine statische Seins-Größe, kein unbewegliches, absolutes Sein. Sondern einer, dessen Göttlichkeit sich gerade darin zeigt, dass er dem Menschen ganz nahe gekommen ist – in Jesus Christus, „wahrer Gott und wahrer Mensch zugleich“, der auch leidensfähig ist, dem das Schicksal des Menschen nicht gleich-gültig ist. Der sich gerade mit den Kleinen und Armen, mit den Leidenden und Geschundenen identifiziert und sie seligpreist. Im Emmaus-Geschehen leuchtet mir Gott ganz deutlich auf, – obwohl er doch gerade in dem erwähnten Bild nur angedeutet und schemenhaft von hinten zu sehen ist. Und das ist gut so. Denn wir sollen uns kein festgefügtes Bild von diesem Gott machen, das uns immer wieder in die Versuchung führt, dass wir ihn jetzt erkannt und verstanden hätten. Gott ist immer der ganz Andere, der Überraschende, der Unbekannte, der den Menschen Nachgehende, der mit ihnen geht und sich auch „berühren“ lässt.
Lassen wir uns von dieser Emmaus-Erfahrung ebenfalls berühren, dann wird unser Glaube und unser Engagement für die Menschen auch unser Leben sinnvoll und erfüllt machen.

„Brannte uns nicht das Herz in der Brust, als er unterwegs mit uns redete und uns den Sinn der Schrift erschloss?“ Vielleicht könnten wir dann auch mit mehr Überzeugung sagen: „Der Herr ist wirklich auferstanden!“

P. Heinz Schneider SVD