Eröffnung der Maiandachten

Besinnung

Maiandacht

Der Monat Mai, den man auch den Wonnemond nannte, ist seit langem der Gottes Mutter Maria geweiht. Dies hat seinen Grund im Frühlingserwachen. Heidnisches Brauchtum mit seinem Bestreben, Winter und böse Gestalten/Hexen zu vertreiben. Haben sich lange, ja bis in unsere Zeit gehalten (z.B. die Walpurgisnacht). Dem setzte die Kirche seit dem Mittelalter die Verehrung der minniglichen Mutter Jesu entgegen, die uns den wahren Frühling gebracht hat. Wir denken an das Marienlied „Maria durch ein Dornwald ging“ (GL 224), wo plötzlich die Domen Rosen getragen, weil das Kindlein von der Mutter durch den winterlichen Wald getragen wurde. 

Schon der frühchristliche Dichter Sedulius († 430) hat den Vergleich mit Dornen und Rosen gewagt: „Wie unter spitzigen Domen die Rose so arglos erblüht, so kam aus dem Stamme der Eva Maria ganz heilig hervor.“ Zur Zeit des Minnesangs hat Walter von der Vogelweide in seinem „Marienleich“ die weltliche Minne zur Marienminne umgestaltet. So sagt er: „Jungfrau und Mutter, sieh an die Not der Christenheit / du blühender Zweig des Aaron / aufgehendes Morgenrot…“, und er schließt das Gebet an: „Nun lasst uns die Mutter bitten/ und auch der Mutter Kind / die Reine sie und ihn, den Hehren / dass sie uns beschützen mögen.“ 

Was Beter und Dichter mit lieberfüllten Worten zum Ausdruck brachten, das versuchten auch die christlichen Künstler. Maria ist die meist dargestellte Frau der Welt, die durch Schönheit und Menschenfreundlichkeit besticht. Gern stellte man sie mit ihrem Kind in den Ikonen der Ostkirche dar. Aber auch die mittelalterliche Kirche betrachtete sie in ähnlicher Weise, besonders aber mit Szenen aus ihrem Leben. Maria im Rosenhag von Lochner gilt als eine der schönsten Darstellungen dieser wunderbaren Frau. 

Die heutige Form der Maiandachten stammt aus dem 17. Jh. Sie wurde von Pius VII. bestätigt und mit Ablässen versehen. Auch Paul VI. empfahl sie 1965 in besonderer Weise.

Maria, dich lieben ist allzeit mein Sinn 

Diese Neudichtung des bekannten Marienliedes (GL 521) dürfte den richtigen Ton für die Maiandachten getroffen haben. In biblischer Sprache grüßen wir Maria, auf die sich der Geist gesenkt hat, um die Neuschöpfung in Jesus zu erwirken. Maria antwortet voll Ergebenheit: Ich bin seine Magd. 

Sie war eine Frau aus dem Volke mit der Sorge ums tägliche Brot und teilte mit Jesus die Stunde der Todesnot. An sie dürfen wir uns wenden, denn sie ist unsere Mutter, reich an Gnaden und Führerin zu Jesus. An seiner Seite erfleht sie uns das Heil und den Frieden der ganzen Welt. Denn sie ist die Freude der Erde und des Himmels Zier. „Du bist voll der Gnade, der Herr ist mit dir.“ 

Papst Paul VI. hat 1974 mit seiner Marienenzyklika die Stellung Marias im Heilsplan in denkwürdiger Weise erklärt. Ihr kommt eine besondere Verehrung zu, weil sie mit dem Geheimnis Christi untrennbar verbunden ist. In Fortführung der Lehre, die das Konzil über Maria veröffentlicht hat, möchte der Papst einige Punkte hervorheben. So preist er an erster Stelle ihren Glauben, der im treuen Hören auf Gottes Stimme begründet war. Im Magnificat besingt Maria selbst die Ankunft der messianischen Zeit, die die Hoffnung aller Zeiten auf Heil, angefangen bei Abraham, erfüllte. Maria gehört nicht ins stille Kämmerlein, sondern wird eine Jüngerin Jesu und bleibt bei seinen Getreuen bis in den Abendmahlssaal hinein. Doch zuvor war sie bereit, mit Jesus zu leiden und seinem Lebensopfer innerlich beizupflichten. Diesem Vorbild suchte die Kirche nachzufolgen. 

In einer mehr theologischen Unterweisung bittet der Papst, die marianischen Andachtsformen neu zu überdenken. Grundsätzlich gelte, dass sie trinitarisch und christologisch gestaltet werden. Auch liegt dem Papst besonders am Herzen die Einbeziehung des Heiligen Geistes, denn er ist die Kraft, die die Neuschöpfung der Menschheit in Maria begonnen hat und die der Kirche ihre geistige Mutterschaft verleiht. 

Nachdem der Papst die biblischen, liturgischen und ökumenischen Richtlinien für die Marienverehrung erneut unterstrichen hat, kommt er auf den anthropologischen Aspekt zu sprechen. Er betont mit Nachdruck, dass das „völlig gewandelte anthropologische Denken und das psychologisch-soziologische Empfinden unserer Zeit“ eine neue Gestaltung der Marienverehrung erfordert. Sowohl in der Familie wie auch in der Politik haben sich die Lebensbedingungen der modernen Frauen wesentlich geändert, denn in der Familie betont man die gleichen Kompetenzen für Mann und Frau, und in der Politik die gleichen Rechte. Maria aber steht in einem anderen kulturellen Kontext als alle späteren Generationen. Und dennoch bleibt sie ein Vorbild für alle Zeiten, vor allem wegen ihrer frohen Glaubensbereitschaft. Darin eingeschlossen ist ihr großes Verantwortungsbewusstsein. Darum war sie keine passive Frau, sondern traf frei und bewusst ihre Entscheidungen; sie hatte einen Blick für die Ängste und Nöte ihrer Zeit; sie sorgte sich nicht nur um den eigenen Sohn, sondern auch um die Jüngergemeinde. Kurzum, im katholischen Kult hat oberflächliche Sentimentalität keinen Raum. Dennoch behauptet eine gediegene Volksfrömmigkeit ihren Platz, so in ganz besonderer Weise der Rosenkranz, der zu den besten und wirksamsten Gebetsformen zu zählen ist. Soweit Paul VI. 

Johannes Paul IL schrieb 1987 ebenfalls eine Marienenzyklika. Für ihn ist Maria ein Vorbild für das pilgernde Gottesvolk durch ihren Glauben. Dieser führt die Christen in das Geheimnis Gottes und Christi ein. Maria war einerseits Jüngerin Jesu und andererseits wurde sie Mutter der Kirche. Die Marienverehrung der Ostkirchen findet besonderes Lob wegen ihrer Hymnen, ihrer Treue zu Christus und wegen der Liebe zur Gottesmutter. In Zeiten der Verfolgung war ihnen und uns allen Maria Trost und Vorbild. 

Im Gotteslob (675,1.2; 676,4; 677,6.8; 680,2) finden sich ausgezeichnete Marienandachten, die Maria unter den verschiedenen Aspekten betrachten.

 

P. Dr. Heinrich Dumont SVD (†)

Anmerkung der Redaktion:  

  • Die von P. Dumont verfasste Predigt wurde bereits veröffentlicht in: DIE ANREGUNG, Nettetal 1996; S. 194f;
  • die Angaben zum GL im Text wurden aktualisiert und beziehen sich auf das NGL;
  • das Deutsche Liturgische Institut in Trier veröffentlichte „Meine Seele preist die Größe des Herrn“, Maiandachten mit dem Gotteslob; Bestellnummer 6172