30. Sonntag im Jahreskreis (B) - Sonntag der Weltkirche

Predigtimpuls

Begegnung – Mitdenken, Mitfeiern, Mitteilen

1. Lesung: Jer 31,7-9
Zwischengesang: www.antwortpsalm.de
2. Lesung: Hebr5,1-6
Evangelium: Mk 10,46-52

Begegnung: Mitdenken, Mitfeiern, Mitteilen

Heute morgen bin ich Herrn Müller begegnet. Wir kennen uns flüchtig. Entsprechend flüchtig grüßten wir uns, freundlich und kurz. Dann waren wir schon aneinander vorbei.

Auf einer Bergwanderung traf ich einen ähnlich einsamen Bergwanderer. Wir kannten uns nicht, gingen aber eine Weile den gleichen Pfad, bis unsere Wege sich trennten. Ein Gespräch ergab sich, das Fremdheit aufhob, ein Gespräch, das aus einer gemeinsamen Quelle lebte. Beim Abschied blieb ein kaum eingestandener Schmerz und dankbare Freude für ein Geschenk. Begegnung hatte Tieferes angerührt. Gemeinsamkeit enthüllt und gestiftet.

Einmal habe ich einen Bekannten durch gedankenlose Unachtsamkeit in Verlegenheit gebracht. Er reagierte heftig. Wir stritten, waren beschämt und betroffen. Das Gespräch wurde versöhnlich. Eine tiefere Beziehung entstand, Freundschaft. – Ein Mann und eine Frau begegnen einander, flüchtig zunächst. Anden sich, rühren an Tiefenschichten der Zuneigung. Es wird eine Liebe daraus, die ihr Leben zusammenbindet.

Ein Hindugelehrter der Mittelalters, der berühmte Ramänuja, war von einer leidenschaftlichen Sehnsucht nach Gott erfüllt. Einmal sagte er den Freunden: „Wie kann ein Mensch zu Gott kommen? Ähnlich könnte man fragen: Wie kann ein Gelähmter einen Elefanten besteigen? Aber Gott kommt uns entgegen. Er macht sich ganz klein. Er kommt in Menschengestalt zu uns. So können wir ihn lieben, wie wir einen Menschen lieben.“

Begegnung ist vielgestaltig
Alles wirkliche Leben ist Begegnung, enthält geistigen Austausch, lässt auch aneinandergeraten und enthüllt das jähe Erschrecken der Fremdheit. Das Wahrnehmen des anderen lässt auch das Eigene mehr schätzen und tiefer verstehen. Immer wieder fanden junge Menschen, von religiöser Sehnsucht getrieben, nicht nur fremde Glaubensgestalten, sondern auch Jesus von Nazaret zugleich das Heimweh nach einem tiefen, gemeinsamen Ursprung. Begegnung erfüllt sich in Gemeinschaft.

Weltkirche – Ort der Begegnung
„Begegnung: Mitdenken. Mitfeiern. Mitteilen“ ist auch das Leitwort des diesjährigen Sonntags der Weltkirche. Denn Weltkirche ist Ort der Begegnung, will und soll es wenigstens sein. Sie bietet den geistigen Raum, in dem Menschen, Völker und Kulturen aufeinander zugehen können. In behutsamer Offenheit können sie Fremdes annehmen, schätzen lernen und liebgewinnen. Es darf menschlich zugehen in der Weltkirche. Bisweilen finden Menschen zueinander, erfahren das Geschenk eines geglückten Gesprächs. Es ist, als ob jeder den anderen mit zu sich nach Hause nimmt, ihm die Innenräume der Seele öffnet, ihn wenigstens ein wenig im Eigenen heimisch werden lässt. Dann mag bewusst werden: Ich habe dir gar nicht zuerst etwas mitgeteilt. Unser Gespräch war mehr als Information. Ich habe mich selbst dir mitgeteilt und dich empfangen. Ich habe mich dabei nicht verloren. sondern gefunden. Ich bin reicher geworden, denn du hast mir deine Welt erschlossen, mich teilhaben lassen an dem. Was dir wertvoll ist. So können auch Teilkirchen einander begegnen. Weltkirche lebt in ihren Teilkirchen. Der eine Glaube lebt in wechselnden und unterschiedlichen geschichtlichen und kulturellen Gestalten. Was im eigenen Kultur- und Lebensraum gewachsen ist und kostbar wurde, kann sich den andern Teilkirchen aussetzen und mitteilen. Das Fremde unterschiedlicher Glaubensgestalten kann erschrecken, das für uns Sperrige abstoßen, aber auch um Verständnis werben. Und es kann reich machen, weil sich auch im Fremden Wege zum einen gemeinsamen Glauben erschließen. Wenn Begegnung gelingt, enthüllt sich in der einen Gemeinschaft der Kirche der Reichtum der vielen Kulturen.

Kirche begegnet
Kirche sucht auch die Begegnung mit den nichtchristlichen Religionen. Auch da kann Fremdheit schrecken. Eine jahrhundertealte Angst mag Misstrauen nähren. Aber die – trotz aller Verirrungen und Rückschläge – spürbar wachsende Sehnsucht der Menschen zielt auf Einheit. Gleicht nicht auch diese Sehnsucht dem Heimweh nach der einen gemeinsamen Quelle aller Religionen, dem sich offenbarenden, dem sich selbst schenkenden Gott“? Auch für solche Begegnung ist Mitdenken gefragt. Könnte christlich-theologisches Bemühen, den eigenen Glauben zu verstehen und ihn tiefer und umfassender zu leben, die anderen Religionen übersehen? Theologie ist bemüht, die ganze Wirklichkeit im Licht der Glaubensoffenbarung zu verstehen. Muss sie dann nicht auch die nichtchristlichen Glaubenstraditionen ins eigene Denken einbeziehen und im Licht der Offenbarung zu begreifen suchen? Christen begegnen Nichtchristen da ganz tief, wo sie in aller Unterschiedlichkeit doch aus dem einen gleichen Ursprung leben und wo das gemeinsame Gebet sie verbindet.

Mission ist auch ein Teilhaben-Lassen an: eigenen Glauben und ein Teilhaben-Dürfen am sehnsüchtigen Suchen nach Gott in anderen Traditionen und am Reichtum vielfältiger religiöser Erfahrungen anderer, schließlich an der Unergründlichkeit des immer größeren Gottes.

Weltkirche versteht sich im Namen Jesu als Einladung aller Menschen zur einen gemeinsamen Feier der Freude, weil Gott gut ist.

[Anmerkung der Redaktion: Die von P. Salmen verfasste Predigt wurde bereits veröffentlicht in: DIE ANREGUNG, Nettetal 1991; S. 427f]

Aktuelle Informationen zur diesjährigen missio-Aktion finden Sie im Internet unter: www.missio.de

 

P. Dr. Josef Salmen SVD