3. Sonntag im Jahreskreis (C)

Predigtimpuls

„Heute hat sich das Schriftwort erfüllt“

1. Lesung: Neh 8,2-43.5-6.8-10
Zwischengesang: www.antwortpsalm.de
2. Lesung: 1Kor 12,12-31 a
Evangelium: Lk 1,1-4; 4,14-21

 „Heute hat sich das Schriftwort erfüllt“
„Schon viele haben es unternommen, eine Erzählung über die Ereignisse abzufassen, die sich unter uns erfüllt haben“ (Lk 1,1).
Schön wär’s, oder? Das kann doch wohl nicht wahr sein, wenn ich mir unsere Welt anschaue. Die vielen Zerwürfnisse, die nie endenden Konflikte, das große Unrecht in der Verteilung der Güter diese Welt! Es haben sich halt sehr viele Erwartungen der Menschen nicht erfüllt. Vieles ist schiefgelaufen und läuft auch heute noch schief. Unsere Welt der Kommunikation ist voll von Fake-News, die vergiften und Menschen gegeneinander aufbringen. Nun, worüber der Verfasser des Evangeliums berichten möchte, ist allerdings etwas Positives, nichts Destruktives. Er greift zurück auf die unzähligen Begebenheiten in der Heilsgeschichte, in denen Gottes Wirken deutlich wird und wofür auch wir Zeugnis ablegen sollen. Was von Jesus erzählt wird, ist neu, erstaunlich, begeisternd. Das Prophetische an seinem Auftreten ist für den Glaubenden nicht zu übersehen – und setzt neue Hoffnung frei. Darauf haben sich früher viele eingelassen und daran geglaubt. Und in dieser Tradition stehen auch wir: Nur weil vor uns Menschen geglaubt haben, können auch wir daran glauben, was wir nicht gesehen haben.


„Jesus kehrte, erfüllt von der Kraft des Geistes, nach Galiläa zurück. Und die Kunde von ihm verbreitete sich in der ganzen Gegend“ (Lk 4,14).
Im Fernsehen gibt es immer wieder Berichte über Menschen, die ausgewandert sind – und dann doch wieder heimkehrten, weil sich ihr Plan, ihre Träume nicht erfüllt haben. Sie hatten alle Brücken hinter sich abgerissen – und sich in ein Abenteuer gestürzt – und müssen nun dahin zurückkehren, von wo sie eigentlich wegwollten. Für Jesus bedeutete das Zurückkehren in seine Heimat, sich auf seinen Ursprung zu besinnen und jetzt – erfüllt von Gottes schöpferischem Geist seine Botschaft in der Heimat zu verkünden. Die guten Menschen, die ihren Glauben zu leben versuchten, für ein neues Verständnis der Schriften zu öffnen. Für Gottes Gegenwart. Für sein Wirken im Heute. Dabei stieß er auf Verständnis, aber auch auf Ablehnung, ja sogar Zurückweisung. Wer die „heilige Ordnung“ stört, ist ein Störenfried, ein Außenseiter, der gefährlich ist.

„Nun habe auch ich mich entschlossen, nachdem ich allem von Beginn an sorgfältig nachgegangen bin, …“ (Lk 1,3).
Lukas will all dem nachgehen und seinen Zuhörern die Aktualität des Gotteswortes nahebringen, wobei ihm ja verschiedene Quellen und Berichte vorlagen, die er auswerten musste. Die Euphorie des Volkes Israels in der Zeit des Propheten damals, als ihnen das Wort Gottes erneut vorgelesen wurde; ihre Betroffenheit – bis hin zum Weinen – kann man vielleicht auch heute bei bestimmten Gottesdiensten erfahren, die von einer pfingstlichen Erneuerung geprägt sind. Eine Betroffenheit, die wir oft nicht mehr spüren beim Lesen oder Hören der Heiligen Schrift. Aber da gibt es dann auch Kritiker, die eine solche Begeisterung als überzogen und schwärmerisch bezeichnen bzw. erleben. Das mag schon sein. Aber ist es nicht umgekehrt bei uns oft so, dass uns das Wort Gottes nicht mehr be-rührt, be-wegt?

„So kannst du dich von der Zuverlässigkeit der Lehre überzeugen, in der du unterwiesen wurdest“ (Lk 1,4).
Die meisten von uns sind es mittlerweile gewohnt, bei Fragen im Internet zu „Googeln“. Dabei können wir die Erfahrung machen, dass wir unsere Fragen genauer oder gezielter stellen müssen, um nicht zu viele Antworten bzw. Ergebnisse zu bekommen, die uns überfordern. Aber wer gibt mir die Sicherheit, dass die Beantwortung meiner Frage auch angemessen und richtig ist? Da passiert es, dass jemand sich auf einen Beitrag verlässt und dann feststellen muss, dass die gegebene Antwort oder der Rat falsch war. Aber der Schaden ist schon passiert. Wenn ich das auf den Glauben bzw. auf Glaubensfragen hin betrachte, da gilt doch das Gleiche – oder? Ich erinnere mich noch, als wir anfingen, eine Internetseite für die Pfarrei zu erstellen. Da machte einer den Vorschlag, wir sollten doch unbedingt Links aufnehmen, auf denen die Gemeindemitglieder oder andere Suchende die richtige katholische Lehre finden könnten. Da gab und gibt es gute Verweise. Aber heute frage ich mich: Reicht das aus? Wie können wir die Zuverlässigkeit der Lehre darstellen, wenn es so viele Menschen gibt, die kein oder nur geringes Glaubenswissen haben – und deshalb schwerlich beurteilen können, was wohl der richtigen Lehre entspricht. Mehr noch, wenn es gar nicht so leicht ist, angemessen und verständlich zu sagen, was richtig oder falsch ist. Die Pilatus-Frage „Was ist Wahrheit?“ hat nichts von ihrer Aktualität verloren. Die Menschen suchen heute mehr und mehr Ehrlichkeit, Glaubwürdigkeit, Authentizität. Zeig mir, wie dein Glaube dein Leben positiv beeinflusst – und dann will ich auch daran glauben. Wenn nicht, was soll das alles?

„Er lehrte in den Synagogen und wurde von allen gepriesen“ (Lk 4,15).
Offensichtlich wurde Jesus damals von einigen Zuhörern als glaubwürdig – heute würden wir sagen „authentisch“ – erfahren. Andere hingegen erzürnten und lehnten ihn ab, da er sich kritisch gegenüber bestimmten Traditionen äußerte und verhielt. „Das kann und darf nicht sein“, meinten sie. Das Gesetz ist unabänderbar; die Gebote Mose müssen strikt ausgelegt und beobachtet werden. Wer daran rüttelt, kann nicht von Gott kommen. Das scheint auch heute noch so zu sein. Wie viele der offiziellen Vertreter der Kirchen verteidigen Gebote und Gesetze oder „Wahrheiten“, die es wert wären, dass man sie auf ihre Tauglichkeit für unsere Zeit hin überprüfte. Schlimmer noch, man vertuschte Probleme, um einen Skandal (für die Institution) zu vermeiden bzw. um nicht als unglaubwürdig dazustehen. Solchen Predigern geht es da ganz anders als Jesus damals: Sie werden nicht gepriesen, sondern ihre Doppelmoral wird entlarvt und ihre Scheinheiligkeit demaskiert. Wir alle erfahren, dass es nicht so leicht sein wird, die Glaubwürdigkeit der Kirche wiederherzustellen. Dazu ist Offenheit, wirkliche Demut und Bereitschaft gefordert, mit anderen nach der Wahrheit zu suchen, und nicht zu meinen, man habe die Wahrheit gepachtet und alle anderen gingen einen falschen Weg. Es geht um eine Wahrheit, die mit unserer Lebenswirklichkeit zu tun hat und die nicht in den Wolken hängt. Offen zu sein für das Wirken Gottes in anderen Menschen, anderen Religionen, ja sogar außerhalb eines religiösen Umfeldes. Das Lied „Dein Geist weht, wo er will – wir können es nicht ahnen“ (Ludger Edelkötter), kann hier eine heilsame Brücke schlagen. Als Suchende und Glaubende, die auf Gottes Treue vertrauen, brauchen wir keine Angst zu haben, auf Abwege zu geraten oder den Glauben zu verleugnen, wenn wir uns Anderem und Neuem zuwenden. Jesus hat keine Angst gehabt, Anstoß zu erregen; im Gegenteil, er hat Vieles angestoßen, was wir weiterbringen, weiterdenken, weitertun sollen. Er lehrte, was für die Menschen heilsam war.

„So kam er auch nach Nazaret, wo er aufgewachsen war, und ging, wie gewohnt, am Sabbat in die Synagoge“ (Lk 4,16).
Jesus ging heim, kehrte zu seinen Wurzeln zurück – verleugnete nicht seine Herkunft und das, was er gelernt und gelebt hatte. Und doch war er sich bewusst, dass man in einer zu engen Bindung an die Tradition Gott manipulieren, ja sogar leugnen konnte. Gerade die ganz Klugen und Frommen erlagen dieser Gefahr – bis heute. Ein Drahtseilakt: das gute Alte nicht zu verleugnen – und darauf, soweit es für heute gut ist, Neues aufzubauen.

Das von Papst Johannes XXIII. geforderte und gelebte „Aggiornamento“ ist keine Anpassung an den Zeitgeist, wohl aber eine „Verheutigung“ der Botschaft und der daraus folgenden Moral bzw. Ethik. Ich muss schon sagen, dass ich mich ärgere, wenn das immer wieder verwechselt bzw. vermischt wird, um Traditionen zu verteidigen. Es geht um eine Flexibilität, die dem Menschen und seiner Beziehung zu Gott und den anderen dienen soll.

Später heißt es im Evangelium, dass die Leute Jesus so lange zujubelten, bis er auf die schwierige Rolle des Propheten hinwies, der abgelehnt wird; der unbequem ist und infrage stellt. Das wollten sie nicht hören, konnten es nicht ertragen – und wollten ihn deshalb töten.

Die prophetische Rolle der Kirche – heute
Wenn wir als Kirche – und in einer besonderen Weise auch die Ordensleute – diese prophetische Rolle übernehmen und erfüllen wollen, dürfen wir nicht erwarten, dass wir beklatscht und hofiert werden. Im Gegenteil. Jeder, der stört, wird ausgegrenzt. Vielleicht ist das für uns die Chance, einmal bescheidener zu werden (Kirche hat nicht mehr die Macht wie bisher) und dann auch wieder zum Kern der Botschaft Jesu, wie wir sie heute gehört haben, vorzudringen: dazu gesalbt und gesandt zu sein, den Armen die Frohe Botschaft zu bringen. Wie viel Äußerliches, wie viel Macht und Gehabe haben sich da im Laufe der Zeit angesetzt und verdeckten den Kern der Botschaft, nach der sich die Menschen sehnen! Vielleicht muss von all dem noch viel mehr zugrunde gehen, damit wieder das Wesentliche zum Vorschein kommt. Sich dafür einzusetzen, mit all dem, was wir sind und haben, lohnt sich.

 

P. Heinz Schneider SVD