17. Sonntag im Jahreskreis (C)

Predigtimpuls

Gebet – getragen von Vertrauen zum himmlischen Vater

1. Lesung: Gen 18,20-32
Zwischengesang: www.antwortpsalm.de
2. Lesung: Kol 2,12-14
Evangelium: Lk 11,1-13

 Fällt Ihnen das Beten leicht? Wie sieht Ihr Gebet aus? Wie sollte unser Gebet aussehen?

Wir sind nicht die Ersten, die diese Frage stellen. Die Frage ist uralt. Wir haben eben gehört, dass die Jünger Jesus baten, sie beten zu lehren, nachdem sie gehört hatten, wie Jesus betete (damals betete man normalerweise laut). Natürlich wussten die Jünger, wie beim Sabbatgottesdienst gebetet wurde, kannten den Tischsegen zu Beginn einer Mahlzeit und sicher auch andere Gebete, wussten sicher auch, wie man ohne Vorlage betet. Offenbar hatte aber Jesu Beten sie so angeregt, dass sie lernen wollten, wie er zu beten; und sie verwiesen auf den Täufer, der seine Jünger auch beten gelehrt hat, damit sie in seinem Geist beteten.

Wenn wir recht beten lernen wollen, müssen wir auf Jesus schauen und uns von ihm belehren lassen. Das Gebet, das Jesus seine Jünger und uns lehrte, kennen wir aus dem Matthäusevangelium, und so beten wir es. Hier im Lukasevangelium ist es etwas kürzer und wohl ursprünglicher.

Jesus beginnt mit der schlichten Anrede: „Vater!“ Er gebraucht das Wort, mit dem in Galiläa, der Heimat Jesu, der Vater in der Familie angesprochen wurde, also eine vertrauliche Anrede. Wenn Sie wissen wollen, was das bedeutet, machen Sie einen Versuch! Wenn Sie allein zu Hause sind, beten Sie einmal laut zu Gott und sprechen Sie ihn an mit dem Wort, mit dem Sie Ihren Vater angesprochen haben bzw. ansprechen! Wie fühlt sich das an? Gelingt es Ihnen überhaupt?

Wenn Sie ein Gebet ernst nehmen als Sprechen zu dem gegenwärtigen Gott, nicht nur als einen literarischen Text, dann spüren Sie schnell, dass ein Gebet, in dem Gott als Vater angesprochen wird, eine andere innere Haltung hervorruft als ein Gebet, das mit „allmächtiger, ewiger Gott“ oder mit „Herr und Schöpfer der Welt“ beginnt. „Vater“ drückt Nähe aus, Vertrautheit und Vertrauen. Wer allerdings seinen Vater als unterdrückend, gewalttätig oder sonst wie negativ erlebt hat, den kann der Vatername Gottes abschrecken; er kann aber in Gott den liebenden und sorgenden Vater sehen, den er sich so sehr ersehnt hat, den idealen Vater.

„Geheiligt werde dein Name.“ Das heißt, Gott möge seinen Namen „heiligen“, groß machen, ihm Ansehen und Anerkennung verschaffen. Wie sollte er das tun? Für den Israeliten war das klar: Er möge Israel seine Liebe erweisen, ihm alle Schuld vergeben, es von Feinden und von Unterdrückung befreien, es stark und mächtig machen. Wir können es als Bitte sehen, alle Menschen erkennen zu lassen, welche Liebe Gott uns Menschen in Jesus erwiesen hat, in Jesu Verkündigung und barmherzigem Handeln, in Jesu Hingabe am Kreuz und der Vergebung unserer Schuld und in Jesu Auferstehung, in der auch uns Auferstehung und Leben verheißen ist.

„Geheiligt werde dein Name“ ist aber auch die Bitte zu bewirken, dass wir Menschen Gott als Gott anerkennen und ehren und uns seinem Wirken in Jesus und dem Heiligen Geist öffnen. Am Ende seines Lebens betete Jesus: „Ich habe dich auf der Erde verherrlicht und das Werk zu Ende geführt, das du mir aufgetragen hast.“ Jesus hat den Namen des Vaters geheiligt.

„Dein Reich komme.“ Jesus hat das Reich Gottes angekündigt, das war sein großes Thema. Aber in Jesu Wirken war dieses Reich Gottes auch schon gegenwärtig, das Reich der Liebe, des Erbarmens, des Lebens. „Sucht zuerst das Reich Gottes,“ sagt uns Jesus, das ist das Wichtigste; es lohnt sich, alles zu geben, sogar die wichtigsten Glieder unseres Leibes, nur um ins Reich Gottes zu gelangen. Es geht bei dieser Bitte keineswegs darum, Gott etwas Nettes zu sagen; es ist die Bitte, dass wir das, was unserem Leben Sinn gibt und sein letztes Ziel ist, nicht verpassen, dass wir es vielmehr bald erlangen mögen. Wenn wir im Gottesreich sind, werden alle anderen Bitten überflüssig.

Aber noch sind wir nicht im Reich Gottes, und so bitten wir um das, was wir Tag für Tag zum Leben nötig haben. Wir erbitten es für „heute“ Tag für Tag, so wie Gott in der Wüste dem Volk Israel das Manna gegeben hat, immer nur für den gegenwärtigen Tag, nur am Tag vor dem Sabbat für den nächsten Tag mit; wenn jemand an anderen Tagen für den nächsten Tag Manna horten wollte, vorsorglich oder um gewissermaßen „reich“ zu werden, der musste feststellen, dass das Manna am nächsten Tag nicht mehr zu genießen war. Die Israeliten mussten lernen, Gott zu vertrauen und arm, von Gott abhängig zu bleiben.

Auch wir sollen lernen, auf Gott zu vertrauen, nicht nur im Hinblick auf unsere Nahrung, sondern im Hinblick auf alles, was wir zum Leben nötig haben, beispielsweise für Gesundheit. Darum dürfen und sollen wir beten, aber nicht um Überfluss, um Luxus und Reichtum. Das bedeutet nicht, wir könnten die Hände in den Schoß legen und alles gleichsam gratis von Gott erwarten. Die Fähigkeiten, die Gott uns geschenkt hat, müssen wir schon nutzen und uns auch mühen. Faulpelze kann der Herr nicht gebrauchen.

Und dass wir das Brot für uns erbitten und nicht jeder nur für sich, sagt uns auch, dass wir das, was Gott uns gibt, miteinander teilen müssen. Jemand hat einmal gesagt: Gott gibt uns das tägliche Brot, aber er verteilt es nicht. Das gerechte Verteilen ist unsere Aufgabe.

„Erlass uns unsere Sünden; denn auch wir erlassen jedem, was er uns schuldig ist.“ Unversöhntheit führt zu Auseinandersetzungen, zu Streit, zu Krieg. Gott sucht Versöhnung und Frieden, zwischen sich und uns und unter uns Menschen. Er hat die Initiative ergriffen und seinen Sohn gesandt, uns zur Versöhnung zu rufen und sogar selbst unsere Schuld auf sich zu nehmen und ans Kreuz zu tragen. Aber er möchte, dass dies Schule macht und uns bewegt, auch einander zu vergeben, immer und in jedem Fall. Wenn wir Gottes Vergebung erbitten, müssen wir auch einander vergeben. Wenn wir es nicht schaffen, können und sollen wir von Gott auch die Kraft dazu erbitten, seinen Geist.

„Und führe uns nicht in Versuchung.“ Papst Franziskus hat vor einiger Zeit diese Übersetzung kritisiert, da Gott als guter und besorgter Vater uns nicht in Versuchung führen werde. Auch im Jakobusbrief lesen wir, dass Gott nicht versuchen werden kann und niemand in Versuchung führt. Papst Franziskus hat vorgeschlagen: „Lass uns nicht in Versuchung geraten.“ Das entspricht genau dem Text in der aramäischen Fassung des Gebetes. Aramäisch war die Muttersprache Jesu und wird heute noch in manchen Gebieten des Nahen Ostens gesprochen. Die Evangelien in Aramäisch geben sicher in manchen Teilen die Worte Jesu originaler wieder als die griechische Übersetzung.

Diese Vaterunser-Bitte verweist auf unsere Schwachheit. Wir sind nicht so stark, dass wir es mit jeder Versuchung aufnehmen könnten, so bitten wir um Bewahrung vor der Versuchung. Sicher geht es hier aber nicht um jede kleine Versuchung (z.B. zu viel Süßes oder Fettes zu essen), sondern um jene, die unseren Glauben an Jesus Christus, unser Vertrauen auf den himmlischen Vater oder das Ernst-Nehmen des Heiligen Geistes gefährden. Wie groß diese Gefahren heute sind, zeigen die leeren Kirchen und der Verlust christlicher Werte in unserer Öffentlichkeit.

Mit dem Vaterunser gibt Jesus uns nicht nur einen Gebetstext, sondern ein Muster für alles christliche Beten. Was im heutigen Evangelium auf das Gebet folgt, hebt ein wichtiges Element für jedes Beten hervor: ein festes Vertrauen auf Gottes Liebe und Barmherzigkeit, dass Gott uns ganz sicher geben wird, was gut für uns ist. Das muss nicht genau das sein, was ich mir beim Beten vorstelle, aber es wird gut sein, will Gott uns doch sogar das Höchste geben, das er uns nach seinem Sohn schenken kann: den Heiligen Geist. Gott nimmt uns nicht einfach alle Krankheiten weg, lässt uns auch Schmerz und Enttäuschung, aber vertrauen wir: Wenn wir mit ihm und mit der Kraft, die er uns gibt, das Schwere ertragen, wird es gut für uns sein.

Mancher betet und denkt, es wird zwar nichts nützen, aber schaden kann es nicht, man kann es ja mal versuchen. Solches Beten ehrt Gott nicht, denn es nimmt ihn nicht ernst. Was kann ein solcher Mensch erwarten? Er wird nicht die Kraft erfahren, die das Vertrauen auf Gott uns gibt. Lernen wir von Jesus, Gott Vater zu nennen und ihm zu vertrauen, auch und gerade in schweren Situationen!

Jesus lehrt uns beten. Aber sein Gebet ist auch ein Leitfaden für christliches Leben: unser Leben auf Gott ausrichten, uns ihm als dem liebenden Vater anvertrauen, uns aus dem Kreisen um uns selbst befreien, uns als Glied der Gemeinschaft erkennen und für den anderen verantwortlich wissen. Der Herr gebe uns seinen Geist, dass wir das immer mehr lernen!

 

P. Lothar Janek SVD