Schulabschlussgottesdienst – Abitur

Predigtimpuls

„Wir tun so, als hätten wir niemanden nötig, …“

Lesung: Jes 55,8-11
Evangelium: Joh 13,1-17


Nach dem ökumenischen Abschlussgottesdienst an eurem letzten Unterrichtstag kam Stephanie auch im Namen anderer mit der Bitte auf mich zu, in der heutigen Abschlussmesse bitte etwas kürzer und nicht so "komplex" zu predigen. Ich habe mir das sehr zu Herzen genommen.

Nicht so komplex: Das heißt auch anschaulicher. Deshalb dieses Bild: Wir sehen einen völlig erstaunten und überraschten, ja fassungslosen Petrus. Er kann es einfach nicht begreifen - noch nicht; am Ende schon -: Er, der Herr und Meister, will auch ihm als Letztem die Füße wäscht.

Versetzen wir uns einmal in das Geschehen: Die Apostel waren bis vor kurzem noch auf der Straße. Sie sind müde und abgekämpft; verschwitzt und barfüßig in ihren Sandalen. - Gewöhnlich geht vor dem Festmahl ein Sklave von einem zum andern und wäscht die Füße. Diesmal verrichtet Christus selbst diesen Dienst.
Als der Herr sich schließlich vor ihm zur Fußwaschung niederknien will, da spricht Petrus aus, was irgendwie wohl alle gedacht haben: Ihre Verwunderung steht ihnen ja noch ins Gesicht geschrieben.

Petrus weigert sich. Er will nicht, dass Jesus ihm die Füße wäscht. Erst auf den gewichtigen Hinweis hin, dass das "Füße waschen" zur Gemeinschaft mit Jesus notwendig dazu gehört, lässt Petrus sich umstimmen. - Dieser Hinweis Jesu: "Wenn ich dich nicht wasche, hast du keine Gemeinschaft mehr mit mir" lässt die Bedeutung dieser Fußwaschung erahnen.

Um was geht es hier eigentlich?
Petrus sieht den Herrn und Meister zu seinen Füßen knien. Es sind Füße, die nicht immer gradlinig ihren Weg gegangen sind. Füße, mit denen Petrus wahrscheinlich auch manchen Fußtritt ausgeteilt hat. - Ganz so lieb und artig war Petrus ja allemal nicht. Erinnern wir uns an das Ohr, das er bei der Gefangennahme Jesu einem Knecht abgerissen hat!

Die Füße des Petrus sind wirklich schmutzig: Die irdischen Wege haben auf ihnen auch unangenehme Spuren hinterlassen!

Das weiß Petrus genau und er ahnt womöglich schon, worauf der Herr schließlich hinaus will: "Wenn ich, der Meister und Herr, euch die Füße gewaschen habe, müßt auch ihr einander die Füße waschen." - Petrus spürt, wenn er jetzt seine Füße waschen lässt, dann muss er später Gleiches tun: Anderen die Füße waschen.

Anderen die Füße waschen, das ist nicht das "Privileg" bestimmter sozialer Berufe. Das ist Aufgabe aller. Ob ihr, liebe Abiturientinnen, einmal als Rechtsanwältin oder Ärztin, als Designerin oder Software-Spezialisten, als Stewardess oder Journalistin Karriere macht: Wirklich Erfüllung im Leben erfährt nur, wer bereit ist anderen die Füße zu waschen; wer bereit ist, anderen zu helfen; anderen zu dienen.

Euch werden mit dem Abiturzeugnis überdurchschnittliche Fähigkeiten bescheinigt. Ob ihr es wollt oder nicht: Ihr gehört zur Elite. - Ihr habt mehr Talente mitbekommen und in diesen Jahren entfalten können, als der Durchschnitt unserer Gesellschaft.

Diese Talente werden euch aber nur dann zur wirklichen Freude, sie werden euch nur dann erfüllen, wenn ihr sie in den Dienst aller stellt.

Wer nur den eigenen Vorteil sucht, dem werden seine Talente am Ende nichts nützen; der wird leer ausgehen, vereinsamen und am Ende mit seinen Talenten in eine Widersprüchlichkeit geraten, die er nicht mehr zu entwirren vermag.

Deshalb lässt Jesus Christus sich sehr weit herab. Deshalb nimmt er sich dieser armen und schmutzigen Füße, und damit all dem Niedrigen und Bedürftigen im Menschen an.

Mit diesem Beispiel erklärt er dir und mir: Du sollst dem Nächsten die Füße nicht nur mit ein paar Tropfen Wasser besprengen - du sollst sie ihm richtig und gründlich waschen.

Um an unseren Talenten lebenslang - und darüber hinaus - Freude zu haben, gibt es nur diesen einen Weg: Christus nachahmen; ihm folgen, denn er ist Weg, Wahrheit und Leben.

Gott und den Nächsten liebe ich nur dann, wenn ich mich bücke! - Echte, krisenfeste Liebe beginnt, wo ich vom hohen Ross herunter steige und den anderen ernst nehmen; wo ich nicht mehr aus Eitelkeit handle; wo ich Menschen in Schutz nehmen.

So manche liegen am Boden. Wer sich ihrer annimmt, und dazu muss man sich bücken, und ihrem Leid nicht aus dem Weg geht, der begegnet damit auch Gott.
Ist unsere Welt nicht auch deshalb so gottlos, weil viele sich nicht mehr bücken wollen. - Dadurch verlieren sie am Ende auch ihr eigenes Leben und die Freude daran.

Eure vielfältigen Talente habt ihr von Gott empfangen, um Liebe zu schenken und zu empfangen: Letztlich, um Gottes Liebe allen erfahrbar zu machen. Guter Wille alleine genügt dafür nicht. Auch ein frommer Glaube reicht nicht aus.
Guter Wille und Glaube müssen sich vielmehr mit Sachkompetenz, mit Einfallsreichtum, mit Phantasie und Kreativität verbinden. Dann aber sind wir tatsächlich in der Lage, diese uns und unseren Talenten anvertraute Welt durch und durch menschlich zu gestalten und damit auch wieder mehr zum Aufenthaltsort Gottes werden zu lassen.

Eigentlich gehört dazu noch ein zweites. Etwas was nicht weniger wichtig ist. Aber da ich mich ja kurz fassen und nicht zu komplex predigen soll, nur ein kurzer Hinweis darauf.

Um anderen die Füße waschen zu können, muss man sich die Füße waschen lassen. Und das ist meist noch viel schwerer.

Petrus leistet Widerstand, denn: Wenn er zulässt, dass der Herr ihm die Füße wäscht, dann gesteht er damit vor sich und den anderen, dass er sich die Füße selber gar nicht waschen kann. Er gesteht damit ein, dass er bei allem gutem Willen doch noch weit hinter dem zurückbleibt, worum der Herr ihn bittet.
"Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege", spricht Gott durch seinen Propheten. "So hoch der Himmel über der Erde ist, so hoch erhaben sind meine Wege über eure Wege und meine Gedanken über eure Gedanken."

Gott bittet uns um mehr, als hier einmal und dort einmal um ein Almosen. Er bittet darum, das "Füße waschen" zu einer beständig Lebenshaltung werden zu lassen. Diesem Anspruch können wir aus eigener Kraft nicht entsprechen. - Deshalb müssen auch wir uns die Füße waschen lassen.

Wer sich die Füße waschen lässt, der gibt zu, dass Hilfe braucht.

Wir tun meist so, als wären wir stabil und heil. Wir spielen die Rolle des Starken, voreinander und vor Gott. Wir tun so, als hätten wir niemanden nötig, der uns die Füße wäscht. - Wenn wir uns da nicht ändern, dann sind wir am Ende nicht in der Lage, anderen wirklich die Füße zu waschen.

Petrus hat diesen Schritt machen können. So wünsche ich Euch und uns allen, dass auch wir diesen doppelten Schritt immer wieder gehen können: sich die Füße waschen lassen und anderen die Füße zu waschen.

(Autor war nicht namentlich angegeben;
gefunden unter: http://www.k-l-j.de/Abiturpredigten.htm)

 

unbekannt