4. Fastensonntag (A)

Predigtimpuls

Einen guten Riecher haben für die Wahrheit

1. Lesung: 1 Sam 16,1b.6-7.10-13b
2. Lesung: Eph 5,8-14
Evangelium: Joh 9,1-41

Geschäftsleute unserer Tage haben schon längst erkannt, dass Gerüche Sehnsüchte in uns wecken, die die Kauflust steigern. Ein Blick in eine Parfümerie macht das deutlich: hier duzende von Deodorants und Rasierwasser für den Mann, dort regaleweise Eau de Toilette für die Frau. Es sind gerade diese Düfte, die uns ein Gefühl des Glücks und des Wohlbehagens versprechen. Andere Gerüche wiederum wecken in uns das Gefühl des Appetits. Bäckereien beispielsweise blasen gerne den Duft vom frischgebackenen Brot ganz bewusst vor das Schaufenster auf die Straße, um damit die vorübergehenden Passanten in den Laden zu locken. Schließlich gibt es da noch den ganzen Bereich der Aromatherapie in der Wellnessindustrie: Duftöle werden gezielt eingesetzt, um Körper, Geist und Seele auf eine positive Art zu beeinflussen.

Wenn wir unsere Augen schließen und uns vorstellen, wie das Hochamt mit Weihrauch roch, oder wie wir als Kinder im Heu gespielt haben, dann steigt uns der Geruch sogleich in die Nase und mit ihm die ganzen Bilder der damaligen Zeit. Vielleicht steht genau diese Erfahrung dahinter, wenn wir von dem Menschen, den wir nicht mögen, sagen: „Ich kann ihn nicht riechen“, und wenn uns eine Situation zuwider ist, sagen wir: „Davon habe ich die Nase voll.“ Tatsächlich scheinen wir Sympathie und Antipathie weitgehend durch die Nase zum Ausdruck zu bringen, denn wir „rümpfen die Nase“, wenn uns jemand nicht behagt, oder sind „verschnupft“, wenn es in unseren Beziehungen nicht stimmt. „Hochnäsige“ Menschen mögen wir sehr wahrscheinlich genauso wenig wie jene, die ihre „Nase in fremde Angelegenheiten stecken“, die sie nichts angehen.

In der biblischen Tempelliturgie des Alten Testaments versteht man den Weihrauch als einen „Wohlgeruch“ vor dem Herrn. So stand im Heiligtum ein Altar, auf dem jeden Morgen und Abend Rauchopfer dargebracht wurden. Dazu betete man in etwa so: Mein Gebet steige wie Weihrauch vor dir empor, ich erhebe meine Hände als Opfergabe am Abend zu dir! Durch den Propheten Amos aber kritisiert Gott sein Volk genau für diese Art von Gottesdienst, weil er nicht mehr mit sozialer Gerechtigkeit im Land einherging: „Ich hasse eure Feste, ich verabscheue sie und kann eure Feiern nicht riechen“ (Am 5,21). Hier ist die Bibel radikal konkret: Gott hat die Nase voll von so viel Prunk und Pomp in der Liturgie einerseits und eine große Gleichgültigkeit den Armen und Randständigen der Gesellschaft gegenüber andererseits. Es stinkt zum Himmel, wenn Gottesdienst und Menschendienst nicht zusammengehen.
Gilt dieses kritische und unbequeme Prophetenwort nicht auch heute? In einem letzten Interview wenige Tage vor seinem Tod gab Kardinal Carlo Maria Martini folgendes zu bedenken: „Unsere Kultur ist alt, unsere Kirchen sind groß, Häuser sind leer, die Organisation wuchert, unsere Riten und Gewänder sind prächtig. Doch drücken sie das aus, was wir heute sind? Dienen die Kulturgüter, die wir zu pflegen haben, der Verkündigung und den Menschen? Oder binden sie zu sehr unsere Kräfte, so dass wir uns nicht bewegen können, wenn eine Not uns bedrängt?“
Auch Jesus prangerte solch ein Fehlverhalten an. Im heutigen Evangelium werden wir Zeugen davon, wie groß inzwischen die Abneigung der Pharisäer Jesus gegenüber war. Sie hatten sie die Nase gestrichen voll von seinem provokanten Reden und den Wundertaten, die er auch immer wieder am heiligen Sabbat vollbrachte. Sie suchten daher nur einen Grund, ihn anklagen zu können, und die Blindenheilung, von der das heutige Evangelium spricht, kam ihnen da genau zur rechten Zeit.

Wenn ein Mensch begabt ist für zukunftsweisende Entscheidungen, dann heißt es, er oder sie habe einen guten Riecher. Einen guten Riecher haben für die Spuren Gottes in unserer Zeit, das wäre eine Gabe des Geistes, um die ich in dieser Zeit vor Ostern einmal beten könnte. Zu Recht fragt Kardinal Martini im oben erwähnten Interview: „Wo sind einzelne Menschen, die hilfreich sind wie der barmherzige Samariter? Die Vertrauen haben wie der heidnische Hauptmann? Die begeistert sind wie Johannes der Täufer? Die Neues wagen wie Paulus? Die treu sind wie Maria von Magdala?“

Aus meiner pastoralen Erfahrung wage ich zu behaupten, dass Menschen auch außerhalb der Kirche wachen Sinnes auf der Suche nach der Wahrheit und damit nach Gott sind. Wir Christen sollten daher Menschen sein, die ihnen nicht hochnäsig den Katechismus auswendig aufsagen können, sondern eine Spürnase besitzen für jene Menschen, die – wie wir – die Wahrheit suchen und mit uns tun wollen.

 

© P. Norbert Cuypers SVD