Kreuzerhöhung (F)

Predigtimpuls

Die Umkehrung der gängigen Wertordnung

Lesung: Num 21,4-9
Oder: Phil2,6-11
Evangelium: Joh 3,13-17

Die Umkehrung der gängigen Wertordnung

Äußere Anlässe können einen tiefen Sinn freilegen, der weit über den Anlass hinausreicht. Der Anlass zum Fest Kreuzerhöhung ist äußerlich. Unter Kaiser Konstantin wurde das Christentum Staatsreligion im römischen Kaiserreich. Nachdem das Christsein über 300 Jahre ein Staatsverbrechen und verboten war, traten jetzt an die Stelle der alten heidnischen Traditionen und Kulte die christlichen. Die alten Götterstandarten wurden durch das Kreuz als das neue Wahrzeichen ersetzt. Das Kreuz wurde am 14. 9. 335, am Tag nach der Kirchweihe der Basilika über dem Heiligen Grab in Jerusalem, den Menschen gezeigt und so erhöht.

Das Kreuz steht für Christus
Aber Kreuzerhöhung enthüllt zugleich das Geheimnis Christi. Er ist der Erhöhte als der Gekreuzigte. Das Evangelium (Joh 3,13-17) nimmt in diesem frühen Nachtgespräch Jesu mit Nikodemus den Gedanken der Erhöhung vorweg, der bei den Abschiedsreden Jesu vor seinem Tod als Verherrlichung dargestellt wird. Es
greift zur Erläuterung auf eine merkwürdige alttestamentliche Geschichte zurück (Num 21,4-9): Die Juden haben ihre Befreiung aus der Knechtschaft in Ägypten erlebt. Aber dann wird der lange Weg ins Land der Verheißung so mühsam, dass ihnen die Freude an der Freiheit vergeht. Unmut wird laut über die elende Nahrung. Das Manna hängt ihnen längst zum Hals heraus. Da war es in Ägypten trotz allem doch besser. Man hatte zu essen und zu trinken. So lehnt man sich auf gegen Mose und gegen Gott und gerät, als Strafe, wie schnell erkannt wird, unter lebensgefährliche Schlangen. Tödliches Gift der Schlangen wird zum Echo vergifteter Herzen. Aber Gott ist bereit zur Vergebung, wenn man reumütig zu ihm zurückkehrt und wenn Mose darum bittet. Zum Zeichen der Rettung erhöht Mose eine kupferne Schlange am Signalmast, zu der man aufschauen kann, um gesund zu werden.

Zeichen der Liebe
Diese erhöhte Schlange wird im Evangelium zum Symbol für den am Kreuz erhöhten Jesus Christus. Eine paradoxe Situation: eine solche Hinrichtung, Ausdruck äußerster Menschenverachtung und der Schande, wird zum Zeichen der Verherrlichung, zu einem Aufleuchten der Liebe Gottes zu uns Menschen, die in diesem Jesus von Nazaret unübersehbar wird. Eben darin erfolgt die Umkehrung alles dessen, was wir gewöhnlich erwarten, Umkehrung der gängigen Wertordnung: bei Macht, Anerkennung und Erfolg ganz oben stehen.

Die vielen gequälten Blicke der Gekreuzigten, der Verlassenen, Getretenen, Vergessenen, Übersehenen können aufschauen zu dem, der am Kreuz erhöht ist zu ihrem Trost und zu ihrer Hoffnung.

Aufblicken zu ihm
Im Hymnus der Vesper im Advent heißt es von dem, der vom Vater ausgeht und zum Vater zurückkehrt: „Bis in die Hölle dringst du vor“. Darin wird offenbar, dass es keinen Ort gibt, von dem aus der rettende Blick auf den am Kreuz Erhöhten verstellt ist. Noch für Menschen, die ihr Dasein als Hölle erleben, ist er die Hoffnung auf Wandlung zum Guten. Menschen, die nur noch Schmerzen spüren, deren Sprache des Betens verstummt ist, deren Stöhnen allein als Gebet übrig blieb, dürfen aufblicken zu ihm.

Aber auch die Starken, die Erfolgreichen, die, denen alles in dieser Welt glückte, könnten im Blick auf ihn nachdenklich werden und ein wenig wenigstens ahnen, dass ihnen zugemutet ist, den mit Mühsal, Not und Leid Beladenen tragen zu helfen.

 

P. Dr. Josef Salmen SVD