Hochfest der Auferstehung des Herrn - Ostersonntag

Predigtimpuls

Ostern - Uns ‚droht’ die Auferstehung

1. Lesung: Apg 10,34a.37-43
2. Lesung: Kol 3,1-4
Oder: 1Kor 5,6b-8
Evangelium: Joh 20,1-9

Ostern
Uns ‚droht’ die Auferstehung
 

„Es heißt, man drohe mir mit dem Tod...“ So schreibt Calderon, Journalist in
Guatemala, ein Mann, der sich für die Entrechteten und Armen einsetzt und weiß, dass alle Versuche des Menschen, sich selbst Zukunft zu geben und Paradiese zu schaffen, scheitern.

„Es heißt, man drohe mir mit dem Tod... Alle sind wir vom Tod bedroht. Und was
tut’s? Sollte es so sein, so verzeihe ich meinen Mördern im voraus. Ich möchte, dass mein Kreuz eine vollkommene Liebesgeometrie wird, kraft deren ich weiter lieben, reden, schreiben und dann und wann die Menschen zum Lächeln bringen kann. Mir drohe der Tod, heißt es. Nur dass die Warnung begrifflich nicht stimmt. Weder mir noch sonst jemandem droht der Tod. Was uns ‚droht’, ist Leben, Hoffnung, Liebe. Wir täuschen uns. Uns Christen droht nicht der Tod. Was uns ‚droht’, ist die Auferstehung.“

Calderons Worte könnten auch von Petrus stammen, der mutig Zeugnis gibt von Jesu Auferstehung inmitten einer heidnischen Welt. (vgl. Lesung) Seine Situation ist ähnlich: Von Juden als Sektierer und Verräter verfolgt, von den Heiden als Spinner verachtet, lebt er zusammen mit seiner Jerusalemer Gemeinde und bekennt freimütig in einer feindlich gesinnten Umwelt in Wort und Tat: „Jesus ist der von Gott eingesetzte Richter der Lebenden und der Toten. Von ihm bezeugen alle Propheten, dass jeder, der an ihn glaubt, durch seinen Namen die Vergebung der Sünden empfängt.“ Ja, Petrus kann unmöglich schweigen von dem, was er gesehen und gehört hat als Jünger der ersten Stunde. Seit ihn Jesus am Seeufer in seinen Dienst rief, zog er mit ihm durch die Dörfer und Städte und erlebte, wie ER „Gutes tat und alle heilte, die in der Gewalt des Teufels waren; denn Gott war mit ihm“.

Der Stein kam ins Rollen – deshalb sind noch Lieder zu singen
Bischof Kamphaus schreibt in einer Osterpredigt: „Der Stein, mit dem man das Grab verschließen wollte, kam ins Rollen. Gott hat Jesus auferweckt.“ Nicht nur irgendwas von ihm lebt weiter, seine Ideen, seine Ideale, nicht nur das, was er gesagt und getan hat, ER selbst in Person lebt. Und weil er lebt, droht uns kein Tod mehr. Jeder Sonntag wird ein Ostertag. Daher liegt unserer Kirche so viel daran, dass wir allsonntäglich Ostern feiern. Wir feiern in einer oft dunklen Zeit unsere Hoffnung. Und wenn wir sie feiern, können wir sie der Welt weitergeben; ja, wir schulden ihr dieses Zeugnis. Allerdings müssen wir uns auch ehrlich fragen, wo wir uns befinden mit unserem Glauben. Suchen auch wir mehr Jesus bei den Toten? Oder suchen wir ihn doch bei den Lebenden? Unser Glaube muss bei uns spürbar werden – im Denken und im Tun.

In einer Grundschule fragte der Lehrer einen Jungen, was ihm denn an der
Erzählung von Jesus am besten gefallen habe. Der Achtjährige gab strahlend die
Antwort: „Dass alles so gut ausgeht.“

Kinderantworten haben es bisweilen in sich. Sie lassen aufhorchen, zwingen zum
Lächeln und zum Ernstwerden, und hie und da regen sie mehr an zum Nachdenken als manches Reden der Gelehrten. Der Junge hat mit seiner Antwort wohl eine Ursehnsucht der Menschheit ausgesprochen. Leider ist die Alltagserfahrung eine ganz andere; das erfahren wir gerade in unseren Tagen. Da gibt es Einzelschicksale, die auch dem Priester jedes vorschnelle Trostwort verbieten. Es gibt Belastungen, gegen die man in der Tiefe des Herzens ratlos ist. Und fast täglich zeigen die Nachrichten Szenen des Schreckens. Und gegen den Terrorismus ist keine Macht der Welt gefeit.

An Ostern bin ich ein Fundamentalist
Damit will ich sagen: ich glaube! schlicht und einfach, dass Jesus wirklich auferstanden ist. (Auch wenn das eine unfassbare Wirklichkeit ist.) Ich glaube das, weil man ohne dieses Bekenntnis die Heilige Schrift wegwerfen muss. Und ich glaube, dass diese Wahrheit das Fundament des Christseins ist und nicht irgendein Detail am Rande. Für Petrus und Johannes war das leere Grab eine feste Aussage, dass er lebt. Sie sahen und glaubten. Liebe Schwestern und Brüder! Ich weiß, dass mir so mancher Hörer in meinen Ausführungen nur schwer folgen kann. Wenn man den eigenen Glauben als keineswegs selbstverständliches Geschenk erlebt, kann man das gut verstehen. Aber die Heilige Schrift preist zwei Gruppen von Menschen selig: die Glaubenden und die Suchenden. Manchmal kommt es mir so vor, als ob wir von unseren großen christlichen Festen nur noch den feierlichen Rahmen besäßen ohne das Bild. Doch das leere Rechteck muss uns immer wieder unruhig machen, auf die Suche schicken bis wir das Bild finden, für das der Rahmen jahrhundertelang geschnitzt und gemalt wurde. Wir alle sind gerufen, einander zu sagen, dass das Leben weitergeht. Wir alle sind gerufen, einander zu zeigen, wie das Leben zu bestehen ist. Wir alle sind gerufen, einander die Ohren zu öffnen, um letzte
Geheimnisse anzunehmen, auch wenn wir sie nicht ganz verstehen.

Aus dem Tod ersteht Leben
Ich schließe mit einer Erzählung, die unsern Glauben stärken soll: Ein Mann liebte es, sich in die Einsamkeit zurückzuziehen, wenn er ein Problem zu überdenken hatte. Eines Tages fuhr er in einem Boot auf einen See hinaus und ließ sich ziellos dahintreiben, während er sein Problem überdachte. Das Boot trieb an Land und legte an einer Stelle an, wo das Wasser nur wenige Zentimeter tief war. Er schaute hinab und sah, dass der Grund mit Wasserkäfern übersät war. Einer von ihnen kam an die Oberfläche und kroch langsam an der Seitenwand des Bootes hoch. Als er den Bootsrand erreicht hatte, starb er.

Die Gedanken des Mannes kehrten zu seinem Problem zurück. Nach einer Weile
blickte er zufällig wieder auf den Käfer. In der heißen Sonne war sein Panzer brüchig geworden. Plötzlich sprang der Panzer auf, und langsam kam eine Libelle zum Vorschein. Sie erhob sich in die Luft, und ihre Farben funkelten im Sonnenlicht. Diese beflügelte Kreatur flog in einem Augenblick weiter, als der Käfer in Tagen hätte fliegen können. Die Libelle wandte sich wieder der Wasseroberfläche zu; der Mann sah ihren Schatten auf der Wasseroberfläche. Sehr wahrscheinlich sahen die Wasserkäfer in der Tiefe die Libelle auch, aber jetzt lebte ihr einstiger Gefährte in einer Welt, die ihr Begriffsvermögen überstieg. Sie lebten immer noch ihre bescheidene Existenz, während ihre beflügelte Verwandte alle Freiheit zwischen Himmel und Erde genoss.

Später erzählte der Mann sein Erlebnis und schloss mit der eindringlichen Frage: „Wird der Schöpfer des Universums das, was er für einen Wasserkäfer tut, für einen Menschen nicht tun?“

 

P. Josef Schmitz SVD