29. Sonntag im Jahreskreis (A)

Besinnung

Jes 45,1.4-6

Jes 45,1.4-6

Der Text

1 So spricht der Herr zu Kyrus, seinem Gesalbten, den er an der rechten Hand gefasst hat, um ihm die Völker zu unterwerfen, um die Könige zu entwaffnen, um ihm die Türen zu öffnen und kein Tor verschlossen zu halten: 

2 Ich selbst gehe vor dir her und ebne die Berge ein. Ich zertrümmere die bronzenen Tore und zerschlage die eisernen Riegel.

3 Ich gebe dir verborgene Schätze und Reichtümer, die im Dunkel versteckt sind. So sollst du erkennen, dass ich der Herr bin, der dich bei deinem Namen ruft, ich, Israels Gott.

4 Um meines Knechtes Jakob willen, um Israels, meines Erwählten, willen habe ich dich bei deinem Namen gerufen; ich habe dir einen Ehrennamen gegeben, ohne dass du mich kanntest.

5 Ich bin der Herr und sonst niemand; außer mir gibt es keinen Gott. Ich habe dir den Gürtel angelegt ohne dass du mich kanntest,

6 damit man vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Untergang erkennt, dass es außer mir keinen Gott gibt. Ich bin der Herr und sonst niemand.


Textbetrachtung

Von 558-521 v.Chr. regierte König Kyrus II. das riesige Persische Weltreich. Im Jahre 538 v.Chr. erließ er ein Edikt, das den jüdischen Exilanten, die einst die Neubabylonier (Chaldäer) 586 v.Chr. unter Nebukadnezar an den Eufrat und den Tigris verschleppt hatten, die Rückkehr nach Jerusalem erlaubten.

1 Der persische König, der den Gott Israels gar nicht kannte, wird hier der Gesalbte und Messias Jahwes genannt. Die „Salbung“ besagt, dass Jahwe bei ihm und mit ihm war. Nicht der von Kyrus II. angebetete Gott Marduk hat ihn an die Hand genommen, um ihm Völker zu unterwerfen, sondern Jahwe, der Gott Israels, hat ihn an der rechten Hand gefasst. Es war auch Jahwe, der 539 v. Chr. die Babylonier kampflos vor den persischen Eroberern kapitulieren ließ. Er hat die Könige entwaffnet, und Türen geöffnet. Kein Tor wurde deshalb vor Kyrus mehr verschlossen gehalten. 

2-3 Diese Verse zitiert die Sonntagslesung nicht, weil sie als „Selbstoffenbarung“ Jahwes nicht so echt in den Erzählzusammenhang passen.

4 Jahwe handelt durch Kyrus um seines Knechtes Jakob, dem Vater aller zwölf Stämme Israels willen. Jahwe hat den Kyrus bei seinem Namen gerufen und er hat ihm den Ehrennamen „Messias“ gegeben, obwohl er ihn gar nicht kannte.

5 Jahwe allein ist Gott, alle anderen Götter, die verehrt und angebetet werden, sind wirkungslose Götzen. Der dem Kyrus unbekannte einzige Gott hat ihm den Gürtel angelegt und ihn mächtig werden lassen.

6 Die Überzeugung derer, die die Heilsgeschichte Israels aufgeschrieben haben war, dass Jahwe gegen allen Augenschein die Fäden der Geschichte in seinen Händen hält. Das setzt die Glaubens- und Vertrauensentscheidung zu seiner Existenz voraus. Geschichte ist immer mehrdeutig. Jeder kann sich da selbst prüfen ob er meint, dass der Zusammenbruch der Sowjetunion und der Mauerfall aufgrund politischer Konstellationen geschah oder durch Gottes Fügung. Israel und die Völker hätten jedenfalls erkennen können, dass Jahwe der einzige Gott und der Lenker der Geschichte ist.

P. Hieronymus Horn OSB